Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben
und tanzest dem Publikum statt deines Bajazzos ein Grabgespenst vor!
ALMA. Hier auf dem Markte von Perugia muß Euch freilich anders zumute sein!
EIN EDELKNABE
ein Stammbuch unter dem Arm tragend, kommt quer über den Platz, hinter dem Podium durch, in den Ankleideraum.
Mich sendet meine Herrin, die erlauchte Gemahlin des würdigen Doktors Silvio Andreotti, Prokurators Seiner Majestät des Königs. Meine hohe Herrin läßt den berühmten Künstler Epaminondas Alexandrion ersuchen, seinen Namenszug mit eigenhändiger Schrift in dieses Stammbuch einzutragen. Meine Herrin beauftragt mich, zu sagen, daß nur die Namenszüge der größten Männer in dem Stammbuch enthalten sind.
Er reicht dem König das Stammbuch und bietet ihm ein Taschenschreibzeug dar.
DER KÖNIG
nimmt den Gänsekiel und schreibt, die Worte vor sich hin sprechend.
»Nur Einfalt ergründet die Weisheit«
Epaminondas Alexandrion der Zweite.
Das Stammbuch zurückgebend.
Melde deiner hohen Herrin, der Gemahlin des Prokurators Seiner Majestät des Königs, den Ausdruck meiner Ehrerbietung.
Der Edelknabe ab.
DER KÖNIG
sich fertig machend.
Hier noch eine Falte, so! – Du, mein Kleinod, scheinst in unserm Beruf vorderhand wirklich dein Glück gefunden zu haben!
ALMA. Ja, mein Vater! Tausendmal ja! Mein Herz ist voll Lebensfreude, seit ich mich täglich vor dichtbesetzten Bänken mit meinen Kunststücken sehen lassen darf!
DER KÖNIG
hastig, nervös.
Mit Staunen beobachte ich, wie wenig unsere Umgebung über dich vermag, obschon du alle glauben läßt, sie seien dir ebenbürtig. Du bist das Lamm unter den Wölfen, die sich, weil keiner dich dem andern gönnt, geschworen haben, dich gegen jedermann zu verteidigen. Aber Wölfe bleiben Wölfe! Und will das Lamm nicht schließlich doch zerrissen werden, muß es sich früher oder später entschließen, selber zur Wölfin zu werden. – Aber höre nicht auf mich! Ich verstehe nicht, welcher Kobold mich gerade heute zwingt, das Unheil mit aller Gewalt über unsere Häupter heraufzubeschwören!
ALMA. Haltet mich, geliebter Vater, eines so schreienden Undankes nicht für fähig, daß ich bei aller Freude, die mein Bajazzohandwerk mir bereitet, nicht oft mit Wonne an die fürstliche Pracht zurückdenke, in der ich meine Kinderjahre verleben durfte!
DER KÖNIG
sich erhebend, mit erzwungener Ruhe.
Jedenfalls bin ich auf das Allerschlimmste gefaßt!
Während dieser Worte werden von Theaterknechten im Zuschauerraum zwei goldene Sessel vor der ersten Sitzreihe aufgestellt. Zugleich stürzt der Theaterbesitzer von rückwärts in höchster Aufregung in den Ankleideraum.
DER THEATERBESITZER. Alexandrion! Bruder! Laß dich in die Arme schließen!
Ihn umarmend und küssend.
Du Perle der dramatischen Kunst! Soll ich dich sprachlos machen vor Hochgefühl?! – Seine Majestät der König kommen in die Vorstellung! Seine Majestät der König von Umbrien mit Seiner königlichen Hoheit dem Erbprinzen Filipo! Hast du Worte?! Zwei goldene Sessel habe ich vor die erste Sitzreihe stellen lassen!
Zu Alma.
In dem Augenblick, wo sich die hohen Herrschaften darauf niederlassen, muß der Hanswurst mit tiefster Verbeugung die Bühne betreten! Also haltet euch bereit, Kinder! – Und du, Alexandrion, Apfel meines Auges, fördere heute einmal alles zutage, was die Abgründe deiner Seele an seltenen Kostbarkeiten bergen! Wie ich
Gestus.
diesen Handschuh umstülpe, so kehre dein Innerstes zu äußerst! Laß unsere königlichen Zuschauer Dinge hören, wie sie seit den Zeiten des Plautus und des Terenz in keinem Theater mehr vernommen wurden.
DER KÖNIG
sein Wams anziehend.
Ich frage mich nur, ob ich vor den hohen Besuchern nicht vielleicht besser etwas anderes als meine Königsposse zur Aufführung bringe; vielleicht den alten Schneiderlehrbub oder Schweinehirts Morgentraum. Der alte Schneiderlehrbub böte unseren Gästen reichlichen Anlaß zum Lachen, und mehr erwarten sie sich nicht, während die Königsposse ihre Gefühle verletzen könnte.
DER THEATERBESITZER. Haha, du fürchtest wieder wegen Majestätsbeleidigung eingelocht zu werden! Unsinn! Mach deine Königsposse! Gestalte sie kräftiger, als du sie je gespielt hast! Wenn uns die Majestäten beehren, dann wollen sie die Königsposse sehen! Was kann man uns anhaben! Ultra posse nemo tenetur! – Nun, was prophezeite ich dir, als ich dich auf der Elendenkirchweih aus dem Unrat des Landes auffischte?! Heute produzieren wir uns vor gekrönten Häuptern!
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