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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Laute und entlockte ihr ein paar wohlklingende Akkorde.
    »Ich werde euch eine Geschichte erzählen, die mir vor einigen Jahren ein Kaufmann aus dem hohen Norden mitgebracht hat. Er war ein Mann mit einem wilden schwarzen Bart und funkelnden Augen. Seine Reisen hatten ihn einmal auf ein Meer geführt, auf dem Berge aus Schnee und Eis schwammen, und wo es Fische gab, die größer als jedes Schiff waren. Dort hat er in einer Nacht, in der unheimliche Feenfeuer unter dem Himmelszelt tanzten, jene Geschichte gehört, die ich euch erzählen möchte. Es ist die Geschichte der Prinzessin Kudrun, die entführt wurde und die man zwang, niederste Dienste zu tun, bis ein Heer stolzer Ritter auszog, sie zu befreien.« Gudruns Augen leuchteten,
während einer der Jungen ein langes Gesicht zog. »Ein richtiger Drache kommt in der Geschichte zwar nicht vor.« Hartmann schmunzelte. »Aber ich denke, ich kann es einrichten, dass den Helden auf ihrer Fahrt nach Norwegen noch eine gefährliche Seeschlange begegnet.«
    Die Kinder tuschelten aufgeregt miteinander und stritten leise um den besten Platz zu seinen Füßen. »Ich wette, es ist ein Prinz unter den Helden«, raunte das Mädchen mit dem Flachshaar.
    »Und ich wette, den wird die Seeschlange fressen. Prinzen sind langweilig, sie …« Ein grober Stoß mit dem Ellenbogen brachte den Jungen mit der Rotznase zum Verstummen. Dann sahen sie alle erwartungsvoll zu ihm auf. Und in ihrer aller Augen lag jener Glanz, der der kostbarste Lohn der Geschichtenerzähler ist, vorausgesetzt man ist nicht allzu hungrig.
    Hartmann wollte gerade beginnen, als Türangeln ächzten und die Stimmung im Saal umschlug. Die Kinder duckten sich ängstlich. Auch Gudrun wirkte angespannt.
    In der Tür, die zum Turm hinaufführte, war eine schattenhafte Gestalt erschienen. Ein Mann, mittelgroß, angetan mit einem Kapuzenmantel aus dunkelgrüner Wolle, dunkler Tunika und zerschlissenen braunen Hosen. Sein Gesicht war hinter einer grob gearbeiteten Maske aus speckigem Leder verborgen, mit ovalen Öffnungen für die Augen und einem runden Loch für den Mund. Das also war der Gutsherr, den der kahlköpfige Bauer in Ad Sanctos für einen Abgesandten Lucifers hielt.
    Die Kinder zu Hartmanns Füßen rückten ein wenig dichter an ihn heran. Mit schwerem Schritt trat der Vermummte in den Saal. Jetzt bemerkte der Ritter, dass der unheimliche
Gastgeber sogar Handschuhe trug. Kein Zoll seines Fleisches war unverhüllt. Ganz wie bei einem Aussätzigen.
    »Bringt mir einen Stuhl ans Feuer«, befahl dieselbe dunkle Stimme, die der Ritter schon im Hof gehört hatte.
    Eilig stand einer der Knechte auf und zog seinem Herrn einen schweren Lehnstuhl zum Kamin. Auch Hartmann sprang auf. Er wusste sehr wohl, auf wessen Stuhl er gesessen hatte. Doch der Vermummte bedeutete ihm mit einer Geste, wieder Platz zu nehmen. »Macht weiter, was immer Ihr gerade begonnen habt, doch rate ich Euch, mich nicht zu langweilen. Ich dulde keine Taugenichtse in meinem Haus.«
    Hartmann räusperte sich. Warum nur hatte er sich dazu hinreißen lassen, ausgerechnet die Geschichte der Kudrun auszuwählen? Der Hausherr würde seine Gründe gewiss durchschauen. Wenn er wenigstens sein Gesicht sehen könnte, um in seinem Mienenspiel zu lesen! Ingerimm von Waldeck hatte eine angenehme Stimme, doch seine Erscheinung jagte einem mehr als einen Schauer über den Rücken.
    Hartmann strich über die Laute, und der vertraute Klang des Instruments machte ihm Mut. »In den alten Geschichten heißt es, Kudrun sei die schönste Frau gewesen, die je unter Gottes Sonne lebte. Ihre Haut war wie Milch, ihr Haar hatte die Farbe von …«
     
    Das Feuer im Kamin war längst herabgebrannt, als Hartmann die Laute zur Seite legte und seine müden Glieder streckte.
    Er war zufrieden mit sich. Es hatte lange gedauert, bis das Gesinde näher an den Kamin gerückt war, um seiner Stimme
zu lauschen. Nachdem er die Geschichte der Kudrun zu Ende erzählt hatte, waren Speisen aufgetragen worden. Frisch gebackenes Brot, eine fette Suppe, ja sogar zwei verschrumpelte Apfel aus dem letzten Herbst und ein wenig süßen Honig hatte man ihm gebracht. Zu trinken gab es ein starkes Bier. Diesem bitteren Gebräu war es zu verdanken gewesen, dass Ingerimms Diener es schließlich gewagt hatten, ihm zaghaft Fragen über die Welt jenseits dieses düstren Ritterguts zu stellen. Er hatte vom Reich erzählt, von den Herzögen und Erzbischöfen. Auch von Kaiser Friedrich, dem die Lombarden den

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