Königin der Engel
Paar aus New York adoptiert. Er hat ihren Namen und ihre Religion angenommen. Ich mußte einen ziemlichen Geldbetrag aufwenden, um das herauszufinden. Es gibt keine Unterlagen darüber – jedenfalls keine, an die ich herankommen konnte –, daß er einen Bruder hat. Aber es ist möglich. Seine richtigen Eltern sind tot. Beide sind eines gewaltsamen Todes gestorben.«
»Ich dachte, Sie könnten an alles rankommen«, sagte Martin.
Mr. Albigoni hob müde die Schultern. »Nicht, wenn New York wichtige Datenbibliotheken verhunzt hat. Goldsmiths gesamte Kindheit ist 2023 bei einem Programmierfehler verlorengegangen. Er ist eins von siebentausend nordamerikanischen Waisenkindern ohne Geschichte.«
Martin und Carol blieben stehen. »Will Goldsmith unsere Fragen immer noch nicht beantworten?« erkundigte sich Martin.
»Emanuel ist nicht mehr in meiner Obhut«, sagte Albigoni.
Martin schaute mehrere Sekunden lang von einem zum anderen, zu verblüfft, um ein Wort herauszubringen. »Wo ist er?«
»Wo er zu sein verdient«, sagte Mrs. Albigoni mit klangloser Stimme.
»Sie haben ihn dem PD übergeben.«
Mr. Albigoni schüttelte den Kopf. »Wenn es Emanuel Goldsmith eigentlich gar nicht mehr gibt, wie Sie sagen…«
»So ein vollkommen hirnverbrannter Schwachsinn«, kommentierte Mrs. Albigoni, die immer noch zum Fenster hinausschaute.
»… dann ist es im Grunde egal, wo er ist oder was mit ihm geschehen ist, nicht wahr?«
Martin zog den Kopf zurück, preßte das Kinn an seinen Hals und verzog das Gesicht. »Entschuldigen Sie. Ich war… Wo ist Paul Lascal?«
»Er steht nicht mehr in meinen Diensten«, sagte Mr. Albigoni.
»Warum nicht?«
»Er hat die Entscheidung mißbilligt, die meine Frau und ich gestern abend getroffen haben. Meine Frau hat gerade erst vom Tod unserer Tochter erfahren, wissen Sie.«
»Das habe ich mir gedacht«, sagte Martin. »Welche Entscheidung haben Sie getroffen?«
Albigoni schwieg einen Moment lang. Er sah Martin ins Gesicht, vermied es jedoch, ihm in die Augen zu schauen. Er senkte den Blick langsam und zog eine Tafel und Papiere zu sich heran.
»Sie haben ihn den Selektoren ausgeliefert«, sagte Carol so leise, daß man es kaum hören konnte.
»Das geht Sie nichts an«, sagte Mrs. Albigoni scharf. »Sie haben die Zeit meines Mannes verschwendet und Ihr eigenes Leben in Gefahr gebracht.« Sie wandte sich vom Fenster ab. Ihr Gesicht war vor Kummer und Zorn verzerrt. »Sie haben seine Schwäche ausgenutzt und ihn genötigt, ein dummes, schlimmes Experiment durchzuführen.«
»Stimmt das?« Martins Stimme übertönte die von Mrs. Albigoni. »Sie haben ihn den Selektoren übergeben?«
Albigoni antwortete nicht. Er trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. »Diese Papiere und Unterlagen…«
»Sie Mistkerl«, sagte Carol.
»…sind Ihre Schlüssel zum wiedereröffneten IPR. Sie müssen schwören, alles geheimzuhalten…«
»Nein«, sagte Martin. »Verflunzt nochmal, das ist zu viel.«
»Wie können Sie es wagen, so mit uns zu reden!« schrie Mrs. Albigoni. »Machen Sie, daß Sie rauskommen!« Sie kam auf sie zu und schwenkte ihre Arme wie Sensen, als wollte sie beide wie totes, trockenes Gras von ihrem Mann wegmähen. Carol wich zurück; Martin blieb stehen, wo er war, und funkelte sie an, erschrocken und wütend zugleich. Sein Kehlkopf tanzte auf und ab, aber er rührte sich keinen Zentimeter von der Stelle, und Mrs. Albigoni kam stolpernd vor ihm zum Stehen. Ihre Hände krümmten sich zu Klauen.
»Ulrika, das ist geschäftlich«, sagte Mr. Albigoni. »Bitte.«
Sie ließ die Hände sinken. Tränen glänzten auf ihren Wangen. Sie trat besiegt zurück und setzte sich wie ein gegliederter Stock in einen kleinen Sessel neben dem Schreibtisch.
»Für uns wird das niemals vorbei sein«, sagte Mr. Albigoni. »Wir werden nicht lange genug leben, um einen einzigen Tag ohne Kummer zu erleben. Anders als meine Frau bin ich nicht der Meinung, daß Sie mich ausgenutzt haben. Wie gesagt, ich bin ein Mann, der sein Wort hält.
Das Gebäude war leer und aufgeräumt, als die Leute vom Bundesamt kamen, um ihre Informationen zu überprüfen. Ich habe die undichte Stelle gefunden und gestopft – keiner von meinen Leuten. Wir können die Sache durchziehen und das IPR wieder aufmachen.«
»Hier stinkt’s, hier stinkt’s«, sagte Mrs. Albigoni.
Martin erschauerte kurz und drehte den Kopf, um einen Blick über seine Schulter zu werfen. Hinter ihm war nichts als eine Wand voller Bücher und
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