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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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vorstellen, nach Hause zu fliegen«, meinte Ybarra. »Ich kann mir nicht vorstellen, jetzt wieder allein in meiner Wohnung zu sitzen.«
    »Sie werden eine Therapie kriegen«, sagte Mary. »Das ist nötig, wenn man unter einer Klammer war.«
    Ybarra tat das mit einer matten Geste ab. »Von sowas halte ich gar nichts.«
    »Es könnte viel ausmachen.«
    Ybarra schüttelte entschieden den Kopf. »Entweder ich schaff’s allein oder überhaupt nicht.«
    Mary versuchte nicht, weiter auf ihn einzureden. Sie saßen in der stillen Kirche, während rosarotes und orangefarbenes Sonnenlicht durch den Staub über ihnen wanderte und neugierig in eine ferne Ecke der Vorhalle lugte. Sie spürte Ephraims Arm und seinen Ellbogen in ihren Rippen und fragte sich, was er da machte. Sicher versuchte er nicht, sie zu begrapschen. Dann wich er zurück. Er hatte etwas in der Hand.
    Er stand auf.
    »Sie sind eine PD. Ich wußte, daß Sie irgendwo eine haben mußten«, sagte er. Er hob die Pistole in seiner rechten Hand hoch, sah sie sich genau an, entsicherte sie und richtete sie auf seine Brust.
    »Mein Gott, nein«, hauchte Mary. Sie wagte es nicht, eine Bewegung auf ihn zu zu machen.
    »Ich glaube nicht, daß ich’s schaffe«, sagte er. »Es wird mir nicht mehr aus dem Kopf gehen, wie es war… Mir fällt immer mehr wieder ein.« Die Pistole in seiner Hand zitterte. Er hob sie an seinen Kopf. Mary stand langsam auf und streckte die Hand aus.
    »Bitte bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte Ephraim. Er trat auf den Gang hinaus und wandte sich erst zum vorderen, dann zum hinteren Teil der Kirche. »Sie haben mir alles Schlechte, was ich je getan habe, ins Gedächtnis zurückgeholt. Sie haben mich gezwungen, es wieder und wieder zu durchleben. Dann haben sie’s noch schlimmer gemacht. Ich hab mich an Sachen erinnert, die ich gar nicht getan hatte. Ich hatte Schmerzen, wie ich sie noch nie erlebt hatte, emotionale Schmerzen, körperliche Schmerzen. Wer sagt, daß man sich nicht an Schmerzen erinnert? Ich erinnere mich. Ich brauche bloß den Abzug an dem Ding hier durchzuziehen, stimmt’s?«
    »Nein«, sagte Mary. »Man wird uns nach Hause bringen. Sie kriegen eine Therapie.«
    »Ich erinnerte mich an meine Mutter und an das, was ich gesehen habe. Sie sagte, ich hätte sie retten müssen. Dann ist Sir gekommen und hat ihr geholfen, mich zu quälen. Emanuel war auch da. Sie sagten, ich sei wertlos.« Ephraims Gesicht war tränenüberströmt, und Tränen befleckten sein Hemd. Mary sah starr und staunend zu, wie sich sein Gesicht immer mehr verzerrte, wie es immer tiefere Falten und Runzeln bekam, als ob es sich selbst in ein Loch der Qual hineinsaugen würde. Er stieß die Pistole hart gegen seine Schläfe. »Ich brauche bloß den Abzug durchzuziehen.«
    »Nein«, sagte sie leise. Wer war sie, daß sie ihm diesen letzten Trost verweigern wollte? Was wußte sie schon, sie, die nie unter der Klammer gewesen war?
    »Es war ein Irrtum, nicht?« fragte Ephraim. »Sie haben mir das irrtümlich angetan.«
    »Ja, irrtümlich«, bestätigte Mary.
    Er ließ die linke Hand sinken und lehnte sich an eine Kirchenbank, dann wich er langsam zum vorderen Teil der Kirche zurück. Er taumelte ein paar Schritte und ruhte sich aus, ging zur anderen Seite des Gangs hinüber und ruhte sich aus; dabei hielt er sich die Pistole immer mit der rechten Hand an den Kopf, mit der Flugführung an seiner Schläfe.
    Durch die Kirchenmauern hindurch hörte Mary ein tiefes, stetiges Baßgewummer.
    »Sie kommen jetzt«, sagte sie.
    »Ich will keine Hilfe, aber ich komme da nicht allein durch«, sagte Ephraim. »Sie haben mir Tausendfüßler ins Gehirn gesetzt. Die sind da rumgekrabbelt und haben meine Gedanken angestarrt und mich immer gebissen, wenn ich was dachte, was ihnen nicht gefiel. Es war, als ob man mir brennendes Benzin in die Ohren gießen würde. Ich konnte spüren, wie mein Gehirn kochte.«
    Mary berührte ihre eigenen Wangen. Sie waren ebenfalls naß. »Du hast das alles nicht verdient«, sagte sie. »Bitte.«
    »Wenn ich am Leben bleibe, wird es Ihnen vielleicht nicht so weh tun. Sie werden keine so große Versagerin sein«, sagte Ephraim. Seine Stimme war in der Kirche kaum zu hören. »Aber mir wird es weh tun.«
    »Gib nicht auf«, bat Mary. »Bitte, gib nicht auf. Du erinnerst dich bloß. Das läßt sich beheben. Eine Therapie kann dir helfen.«
    »Dann bin ich nicht mehr ich«, sagte Ephraim.
    »Willst du der Mensch bleiben, der diese Schmerzen hat?«
    »Ich will

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