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Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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gezählt, befürchtete Jewgeni.
    Der Wagen krachte in ein Schlagloch.
    Karpow fluchte – er hatte sich ins Zahnfleisch gestochen.
    Während sie auf der vierspurigen, maroden Leninstraße stadtauswärts rumpelten, fingerte Jewgeni den Gummiball aus der Hosentasche und setzte, mit der Linken lenkend, seine Reha-Übung fort. Es tat verdammt weh, aber er durfte seine Kraft nicht verlieren.
    Karpow schielte hin. »Was macht der Bruch?«
    »Fast verheilt.«
    »Ausgerechnet die Rechte.«
    »Welche sonst?«, erwiderte Jewgeni.
    Karpow lachte unsicher.
    Am Complex Magnum, dem neuen Stadion, ließ sich der Finanzdirektor absetzen. Wie alle Bosse gehörte er dem Vorstand des FC Magnum Tiraspol an.
    Jewgeni parkte im Schatten der Arena und putzte seine Sonnenbrille. Er verabscheute den Gedanken an die Wiedervereinigung mit den Rumänisch sprechenden Maisbreifressern vom anderen Ufer des Flusses. Ein Stadion wie dieses hatten sie auf der Westseite nicht. Zweihundert Millionen Euro hatte Wladimir Turin dafür springen lassen. Dank mehrerer Legionäre aus Burkina Faso hätte der Verein fast die Champions-League-Qualifikation geschafft. Den Fußballsport hatte die Abspaltung des Landes von Moldawien nie berührt – auch ohne eine Kapitulation vor den Imperialisten und ihren Marionetten wirkte der Verein als Aushängeschild.
    Eine Horde abgemagerter Hunde lief vorbei. Eine Zeitungsseite wirbelte über die breite, betonierte Piste. Ein gelber Stern auf dem Titel – die Magnum-Gazette.
    Jewgeni hielt Ausschau nach jungen Frauen.
    Ein rostiger Kleinbus fuhr vor und Jewgeni staunte, wie viele Menschen aus der Karre kletterten. Dann erkannte er, dass es sich um einige der Demonstranten von vorhin handelte. Offenbar setzten sie einen Genossen ab, der sich unter zahlreichen Umarmungen verabschiedete und mit seiner Sporttasche im Complex Magnum verschwand.
    Ein Mädchen löste sich aus der lärmenden Gruppe und schlenderte auf Jewgeni zu. Es war die Flugblattverteilerin. Er setzte sein Sonntagslächeln auf, damit seine teuren Goldzähne zur Geltung kamen.
    Im Stoff ihrer engen Shorts zeichnete sich der Spalt ab – geiles Luder.
    »Schickes Auto«, sagte sie.
    Er wippte auf den Absätzen. »Porsche Cayenne. Geht ab wie eine Tüte Mücken.«
    »Deiner?«
    »Hm, wie heißt du, meine Hübsche?«
    »Aljona.«
    »Schon was vor heute Abend?«
    Das Proriv -Mädchen musterte ihn.
    Er stellte sich die Kleine gefesselt vor, nackt und um ihr Leben bettelnd. Ja, er könnte Spaß mit der Schlampe haben. Noch einmal richtig auf die Kacke hauen.
    Die anderen riefen nach Aljona und sie tippelte zurück zum Kleinbus. Bevor sie einstieg, winkte sie Jewgeni noch einmal zu.
    Karpow kam zurück und hatte es eilig, zum Eltromasch-Kombinat gefahren zu werden. Eine Erklärung gab er nicht. Schweinebauer.
    Sein Vorgänger Patruschew war aufgeflogen – die Bilanzen frisiert, Geld abgezweigt.
    Der Cayenne erreichte die Fabrikanlagen. Eltromasch produzierte Kalaschnikows für den Export. Herzstück des Magnum-Imperiums. Turin senior war nach seiner KGB-Zeit Direktor des Ladens gewesen, bis er die Loslösung von Moldawien betrieben hatte. Seitdem war er jedes Mal als Präsident Transnistriens bestätigt worden, manchmal mit mehr als hundert Prozent der Wählerstimmen.
    Bevor er ausstieg, fragte Karpow: »Du warst früher in Deutschland stationiert?«
    »Bei der Westgruppe in Wünsdorf, bevor ich zu General Lebed kam. Warum?«
    »Sprichst du die Sprache?«
    »Natürlich. Ich wurde in Verhörmethoden ausgebildet.« Jewgeni fragte zurück: »Wir gehen doch nicht nach Deutschland, oder?«
    Keine Antwort. Karpow verschwand im Verwaltungsgebäude.
    Jewgeni knetete den Ball. Deutschland kam nicht infrage, redete er sich ein. Der Präsident, sein Sohn und die halbe Konzernspitze standen als Kriegsverbrecher und Waffenschieber auf der Fahndungsliste von Interpol. Mit echten Pässen kamen sie allenfalls nach Südossetien oder Abchasien.
    Im Pförtnerhäuschen lief das Radio. Jewgeni hörte die Nachrichten mit. Erleichtert stellte er fest, dass die Erpressungsabsichten von Gazprom noch nicht durchgesickert waren – ausgerechnet der Staatskonzern des großen Bruderlandes drohte damit, den Gashahn abzudrehen, wenn Transnistrien nicht rasch seine Schulden von fast zwei Milliarden US-Dollar beglich. Natürlich war das Land nicht zahlungsfähig. Der Präsident hatte auf seine persönlichen Rücklagen geachtet, nicht auf die Staatskasse.
    Die Turins waren fest entschlossen: Lieber

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