Königsallee
seltsamen Landstreifen hatten ihm gefallen. Nirgendwo hatte er seine eigenen Geheimnisse so gut wahren können.
Das Flutlicht im Complex Magnum Tiraspol strahlte bereits, als sie vorbeifuhren.
»Die Spiele werden uns fehlen«, bemerkte Jewgeni.
Im Rückspiegel sah er, wie Wladimir sein Glas hob. »Fußball gibt’s auch anderswo. Wir bauen uns ein neues Stadion, wenn es sein muss.«
»Wo werden wir uns niederlassen?«
Wladimir lachte nur. »Prost«, sagte er – ein deutsches Wort.
Das Brennen in Jewgenis Magen nahm zu.
Hier sind die guten Zeiten vorbei. Dort fangen sie an.
Jewgeni räusperte sich. »In welcher Stadt?«
»Egal, Jewgeni«, antwortete der Präsidentensohn. »Wir kaufen sie!«
Teil I
Alarmsignale
Weil die Menschen halt keine sind.
Ödön von Horváth, Geschichten aus dem Wienerwald
Dienstag, 15. Mai, Blitz, Lokalnachrichten:
GEKKO-BEACH VOR DEM AUS?
Die Zeichen für das beliebte Strandlokal Gekko-Beach im Düsseldorfer Hafen stehen schlecht. Das Verwaltungsgericht lehnte gestern den Einspruch des Betreibers gegen den Räumungsbeschluss ab, den die Stadtverwaltung auf Anweisung von Oberbürgermeister Dagobert Kroll erwirkt hatte. Bereits ab Montag soll das Lokal abgerissen werden, das in den letzten Jahren mit seinem künstlich aufgeschütteten Strand für Karibik-Flair am Rhein gesorgt hatte – grünes Licht für das geplante Hafen-Congress-Centrum (HCC) an gleicher Stelle, das OB Kroll schon jetzt als »Leuchtturm der Düsseldorfer Wirtschaftskraft« lobt.
Gekko -Betreiber Arne Echternach bezweifelt jedoch, dass mit dem Bau des HCC in nächster Zeit zu rechnen ist. Er schlägt einen Kompromiss vor: Bis im Herbst die Bagger anrücken, sollten die Eidechsen bleiben dürfen. Zum Ende der Sommersaison würden sie das Gelände an der Speditionsstraße dem neuen Nutzer übergeben, pünktlich und besenrein.
Von Dagobert Kroll war hierzu keine Stellungnahme zu erhalten. Seine Referentin Simone Beck stellte jedoch klar: »Der Investor für das HCC will klare Verhältnisse. Die Stadt kann es sich nicht leisten, den Anschluss an die Weltspitze der Wirtschaftsmetropolen wegen eines Biergartens zu verspielen.«
Mittwoch, 16. Mai, Morgenpost, Landespolitik:
WIRD ›RICHTER GNADENLOS‹
DEM WERBEN WIDERSTEHEN?
Seine harten Urteile haben Konrad Andermatt, Richter am Düsseldorfer Landgericht, über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus bekannt gemacht. Verbrechen müssten härter und konsequenter bestraft werden, so die Ansicht, die der von seinen Gegnern gern als ›Richter Gnadenlos‹ titulierte 52-Jährige auch im Bundesvorstand der FDP vertritt.
Seinen nordrhein-westfälischen Parteifreunden erscheint Andermatt als idealer Nachfolger für Hansgünter Scheuring, der sein Amt als Landesinnenminister krankheitsbedingt aufgeben musste. Noch hat Andermatt sich nicht entschieden, bittet um Bedenkzeit. Das Etikett »rechtsliberal« kontert er schon mal mit einem sanften Lächeln: »Wenn das bedeutet, endlich dem Recht Geltung zu verschaffen, so bin ich damit einverstanden. Freiheit ist ohne Sicherheit nicht möglich.«
Am morgigen Himmelfahrtstag wollen die Fraktionsspitzen von CDU und FDP die Personalie beraten. Ministerpräsident Fahrenhorst hat signalisiert, den Vorschlag des Koalitionspartners zu akzeptieren. Jetzt liegt es nur noch an Konrad Andermatt selbst, den Sprung ins Kabinett zu vollziehen und aus ›Richter Gnadenlos‹ einen ›gnadenlos guten Minister‹ zu machen.
Donnerstag, 17. Mai, Morgenpost (Feiertagsausgabe), Feuilleton:
KEINE RÜCKKEHR DER ›NACHT‹ IN SICHT
Nächste Woche jährt sich der Raub von Max Beckmanns Meisterwerk Die Nacht aus der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zum zweiten Mal. Im letzten Jahr wurden die Täter geschnappt und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, doch zum Verbleib des 1919 entstandenen Ölbilds, das als Meilenstein der bildenden Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts gilt, verweigerten sie jede Aussage.
Die Morgenpost hat sich nach dem Stand der Ermittlungen erkundigt. Zuständig ist das zur Kriminalgruppe ›Organisierte Kriminalität‹ gehörige Kriminalkommissariat 22, das im Mai letzten Jahres in Korruptionsverdacht geraten war, nachdem ein Drogenprozess gegen einen bekannten Düsseldorfer Gastronomen überraschend geplatzt war. Es gab interne Ermittlungen, jedoch keine Ergebnisse. Der Skandal habe keine Auswirkung auf die Suche nach dem Beckmann-Bild, versichert der Polizeisprecher. Nach dem millionenteuren Bild
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