Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
Gedanken schweiften zu dem Tag vor drei Jahren, zu seiner ersten Begegnung mit ihr. Es war in der Tanzschule »von Dalden« gewesen, einem eher plüschig eingerichteten Etablissement, das er widerwillig und nur um seiner Mutter einen Gefallen zu tun besuchte. In sein Schicksal ergeben, hatte er sich eher mürrisch in die Gruppe linkischer Jünglinge eingereiht, die mit einer Anzahl blasser und eher unscheinbarer weiblicher Geschöpfe hölzerne Schritte und Takthalten übten. Und dann stand plötzlich dieses schöne, schlanke Mädchen mit den langen blonden Haaren vor ihm, und der Blitz aus ihren dunklen Augen traf ihn so unvermittelt, dass ihm schwindelte. Von einer Minute auf die andere war es um ihn geschehen und die muffige Tanzschuleverwandelte sich in einen paradiesischen Traumpalast, in dem sich seine Schritte wie von selbst beflügelten, wenn er mit ihr über das Parkett schwebte.
Eigentlich war er ja schüchtern und wusste erst nicht, wie er es anstellen sollte, ihrem hochmütigen Blick standzuhalten und sie um ein Treffen zu bitten. Doch dann, irgendwann, er wusste nicht mehr so genau wie, hatte er es doch gewagt und sie kurzerhand zu einem Segelausflug eingeladen.
Er versuchte, sich jenen Tag, an dem er sein Herz endgültig und für immer verlor, deutlicher in Erinnerung zu rufen, jene wunderbaren Stunden, die er niemals im Leben vergessen würde. Es war ein duftiger, blauer Sommertag gewesen, klar und frisch mit einer ordentlichen Brise. Die Ostsee duftete würzig nach Salz und Sonne, und die Oberfläche der Pregel kräuselte sich in leichten Wellen, als wolle sie dazu verführen, auf ihr in das Frische Haff hinauszufahren.
»Ich bin noch nie hier draußen gesegelt«, Magdalena sah ihn mit einem verführerischen Augenaufschlag an und ließ die Hand durch das von der Sonne aufgewärmte, grünlich schimmernde Wasser gleiten. »Aber es ist wunderbar auf den wiegenden Wellen … man fühlt sich wie in eine andere Welt versetzt.« Erst später hatte sie ihm davon erzählt, wie schwer es ihr gefallen war, sich heimlich von zu Hause davonzustehlen. Niemals hätte die Mutter ihr freiwillig erlaubt, sich mit ihm zu treffen – geschweige denn eine gefährliche Segelpartie zu unternehmen! Aber sie tat immer schon gerne, was man ihr eigentlich verboten hatte und diesmal war der Reiz besonders groß gewesen!
Paul nickte verlegen. Er war stolz, dass sie seiner Einladung zu einer Bootspartie gefolgt war. Im Segelclub des Königsberger Vorortes Contienen lag immer noch die seit dem Tod des Vaters ungenutzte kleine Jolle, mit der sie früher oft gemeinsame Segelausflüge unternommen hatten. Es war ein wendiges Schiffchen der Marke Pirat – mit Segel und Fock zwar nicht größer als zehn Quadratmeter –, aber es konnte ganz schön in Fahrt kommen. Eigentlich hatte er fast vergessen, wie schön es war, so frei hinauszusegeln, gewiegt von Wind und Wellen auf dem Wasser zu treiben und sich die herzhafte Ostseebrise wieder einmal so richtig um die Nase wehen zu lassen.
Nach dem Erreichen des Frischen Haffs nahm der Wind ab, und sie trieben in einer leichten Flaute beim Plätschern der Wellen auf ihrem Boot dahin, losgelöst und irgendwie abgehoben von allem Alltäglichen, allen Verboten und schiefen Blicken. Er erinnerte sich an den Zauber des Augenblicks, das Gefühl reinen Glücks, das er noch nie so intensiv empfunden zu haben glaubte. Wenn er sie ansah oder wie zufällig ihre Hand streifte, fühlte er eine seltsame Verwirrung, und sein Herz begann, unruhig zu klopfen.
»Wie schön es hier draußen ist! So ruhig!«, murmelte sie versonnen, während er seinen Blick nicht von ihr wenden konnte.
»Wieso sehen Sie mich eigentlich so an?«, fragte sie schließlich, beinahe ein wenig verlegen. »Seien Sie ehrlich: Was denken Sie von mir?«
»Oh … schwer zu sagen. Aber schauen Sie mal da rüber – es könnte ein Gewitter geben«, sagte Paul ausweichend, um sich ein wenig aus dem Bann zu lösen, den sie auf ihn ausübte. »Da hinten ziehen ein paar Wolken auf. Sie müssen sich weiter hinauslehnen, damit wir mehr Fahrt bekommen. Aufpassen, wir wenden! Ziehen Sie bitte den Kopf ein, sonst gibt es eine Beule!« Sie lachten, und während Magdalena sich duckte, machte er die Seile los, und Großbaum und Segel wechselten auf die andere Seite.
Doch das Wetter blieb beständig – es war wirklich ein Tag wie aus dem Bilderbuch. Die Sonne brannte warm auf die Haut, und man erkannte in der Ferne die silbrig beglänzte
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