Königskind
d’Aumale, verkündet zur allgemeinen Entrüstung, sie wolle ins Kloster gehen.«
»Weshalb die Entrüstung?« fragte mein Vater.
»Weil sie außer einem großen Vermögen einen Herzogstitel im Körbchen hatte.«
»Wieso das?«
|23| »Ihr erinnert Euch sicher, daß Henri ihrem Vater, dem Herzog d’Aumale, seinen Titel abgesprochen hatte, weil dieser sich weigerte,
sich nach der Einnahme von Paris ihm anzuschließen. Dafür hatte er Mademoiselle d’Aumale zugesichert, den Titel auf ihren
zukünftigen Gemahl zu übertragen, sofern dieser nach seinem Gefallen wäre.«
»Also scheidet Mademoiselle d’Aumale aus!« sagte mein Vater. »Und wer, Madame, wäre Eure zweite Kandidatin?«
»Ja, Mademoiselle de Fonlebon natürlich.«
Mein Vater warf mir einen Blick zu und sagte: »Die Geschichte kenne ich.«
»Aber nicht die ganze!« erwiderte Madame de Guise feurig. »Hört zu! Der Prinz von Condé geht über die Grenze und sperrt seine
Charlotte zu Brüssel ein. Und unser Henri vergießt im verödeten Louvre Sturzbäche von Tränen. Da stößt er, als er zur Königin
geht, mit der Nase auf eine ihrer Ehrenjungfern, Mademoiselle de Fonlebon, und traut seinen Augen nicht: sie ist beinah das
Ebenbild der Prinzessin. Ein kleines blondes Stutfohlen mit blauen Augen, vor dem alle Männer gleich anfangen zu wiehern.«
»Madame«, sagte ich entschieden, »Mademoiselle de Fonlebon verdient eine bessere Schilderung.«
»Richtig«, sagte Madame de Guise und wechselte einen Blick mit meinem Vater. »Die Folge beweist es. Denn unser alter Hengst
macht dem Kinde die Cour auf Soldatenart und greift, wenn ich so sagen darf, freiweg nach ihre Rundungen …«
»Das wußte ich nicht«, sagte mein Vater. »Darin ging er wahrhaftig zu weit.«
»So ist es. Aber im Unterschied zu Charlotte von Condé ist die kleine Fonlebon keine
Ehrgeizlüstriche,
wie Eure Mariette sagt. Die Ehrenjungfer hat tatsächlich Ehre. Sie zittert für ihre Tugend, läuft in ihrer Angst davon, wirft
sich der Königin zu Füßen und berichtet ihr alles. Maria drückt sie an ihren Riesenbalkon …«
»Madame!« sagte mein Vater.
»… dankt ihr für ihren Freimut, versichert sie ihrer Dankbarkeit, ihres Schutzes und einer Mitgift, wenn sie heiratet, und
schickt sie auf der Stelle in die Provinz, auf den Sitz ihres Großvaters im Périgord. Was für eine traurige Reise das gewesen
sein muß! Paris, der Hof, der Louvre, die Bälle, die Feste |24| und wer weiß wie viele Kandidaten an ihrem hübschen Handgelenk, all das muß die Ärmste verlassen! Und dabei erspare ich Euch
unbefahrbare Landstraßen, schüttende Regengüsse, Brückenzölle und verlauste Herbergen. Als sie endlich auf dem zinnenbewehrten
alten Nest ihrer Ahnen anlangt, findet sie ihren Großvater quasi auf dem Sterbebett. Die kleine Fonlebon hat ein gutes Herz.
Sie umarmt und küßt und pflegt ihn. Einen Monat darauf stirbt der Greis in Frieden und vermacht ihr alles. Und das war nicht
wenig! Der alte Knauser hatte sein Leben lang gerafft. Währenddessen wird in Paris mein armer Cousin ermordet. Die Königin
vergißt ihre Ehrenjungfer nicht. Sie läßt ihr schreiben, und die kleine Fonlebon eilt ebenso brav wie schön herbei und, was
ihre Reize erhöht, sehr reich. Was braucht Ihr mehr, mein schönes Söhnchen?«
»Daß ich sie liebe.«
»Wie bitte?« rief Madame de Guise und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, ihre blauen Augen wurden schwarz vor Zorn.
»Ihr habt die Stirn, mir zu sagen, Ihr liebt sie nicht, Ihr habt ihr in Paris doch den eifrigsten Hof gemacht!«
»Madame«, sagte ich, »ich habe in meinem Leben zweimal mit Mademoiselle de Fonlebon gesprochen und beidemal zehn Minuten.
Einmal bei Gelegenheit eines Ringelspiels unter den scharfen Augen von Madame de Guercheville, nachdem wir entdeckt hatten,
daß wir Cousin und Cousine sind, und das zweite Mal im Louvre, kurz bevor sie ihn verlassen mußte und im voraus über die Wüstenei
im Périgord weinte. Da habe ich, ergriffen von ihrer Schönheit und ihrem Kummer, gesagt, wenn ich im kommenden Sommer Gelegenheit
fände, zu meinem Großvater, dem Baron von Mespech, im Sarladais zu reisen, würde ich sie zu Pferde besuchen kommen. Darauf,
Madame, beschränkte sich mein eifrigstes Hofmachen.«
»Na, wenn das stimmt …«
»Es ist die Wahrheit, Madame!«
»Also, wenn das stimmt«, sagte Madame de Guise, die sich langsam beruhigte, »kennt Ihr sie wirklich nicht gut. Aber heiratet
sie
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