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Koenigsmoerder

Koenigsmoerder

Titel: Koenigsmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Miller
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um damit die Welt auszufasern, die sie geschaffen hatte, um ihm und den heiligen Eiden zu trotzen, die sie einander geschworen hatten.
    Aber nicht hier. Um so tief in das Gewebe der Mauer hineinzublicken, musste er sich in die Wetterkammer begeben.
    Er ritt auf dem Rücken von Ashers silbernem Hengst dorthin. Wie sein ehemaliger Herr widersetzte das Tier sich ihm zuerst, aber nicht lange.
    Nichts und niemand konnte sich ihm lange widersetzen.
    Eingehüllt in einen Ablenkungszauber, ritt er unbemerkt durch die Straßen der Stadt und auf das Palastgelände, hinüber zum alten Palast, wo Barls letzte Monstrosität zwischen den Bäumen lag. Je näher er der Wetterkammer kam, umso deutlicher konnte er sie riechen. Sie war seit sechs Jahrhunderten tot, und ihre Magie hatte noch immer Bestand. Er hasste sie, hasste sie und staunte über ihre überlegene Macht.
    Als er durch die Bäume brach, fand er sich endlich auf einer Lichtung wieder, von Angesicht zu Angesicht mit der uralten Wetterkammer. Der Bastion von Barls Magie, die Zeuge von deren Vernichtung durch ihn werden würde. Mit zusammengebissenen Zähnen saß er ab und hängte die Zügel des Hengsts über einen nahen Ast. Das Tier, dessen Flanken von Sporenabdrücken aufgerissen waren, ließ den Kopf sinken und keuchte, während ihm blutiger Schweiß übers Fell rann.
    Nachdem er Glimmfeuer heraufbeschworen hatte, öffnete er die widerstrebende Tür und und eilte die Treppe hinauf, wobei er in vollen Zügen die Mühelosigkeit genoss, mit der er sich bewegte. Die Tür im oberen Stockwerk stand offen. Er trat in die Kammer und wurde abermals eingehüllt von dem alles durchdringenden Gestank von Barls Wettermagie. Schwache Echos ihrer Gegenwart wehten um ihn herum wie verblassendes, abgestandenes Parfüm.
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    Er legte den Kopf in den Nacken und blickte durch die kristallene Decke in dem goldüberhauchten Himmel. »Siehst du mich, Hure?«, flüsterte er. »Ich bin es, Morgan, Liebste. Dein Gemahl ist zu Hause.«
    Ohne dass ihm eine Antwort zuteil wurde, richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Mitte des Raums und auf das Modell von Lur, das so kunstvoll auf das Gewebe des Königreichs eingestimmt war. Ein unvertrautes Gefühl regte sich in ihm: Bedauern. Die Karte war ein Wunder, das nur Barl hatte zuwege bringen können. Oh, was sie zusammen hätten erreichen können, wäre sie ihm nur treu geblieben.
    Er ließ sich auf den Parkettboden sinken und hielt die Hände über das Modell.
    Dann schloss er die Augen und öffnete seinen Geist den gestohlenen Beschwörungen, die sich wie goldene Schlangen in seinem Kopf wanden, und ließ sich von Barls stinkender Magie durchtränken.
    Und dann, endlich, verstand er. Alles, was bis zu diesem Moment undurchdringlich gewesen war, war mit einem Mal absolut und auf wunderschöne Weise klar. Er verstand alles...
    In diesem fruchtbaren Land fließt Macht durch alle lebenden Dinge, ist ein Teil von ihnen und untrennbar. Nicht hart und scharf und leuchtend wie doranische Magie, die sich zu Waffen und Knechtschaft schmieden lässt. Olkische Magie ist sanft und gleitend und nahrhaft wie Blut. Dazu bestimmt, einem jeden durch die Finger zu schlüpfen, der glaubt, sie mit grobem Griff fassen zu können. Barl sieht dies. Akzeptiert es. Begreift, dass ihr wahres Ziel eine Ehe verschiedener Arten von Magie ist. Tag und Nacht arbeitet sie, um der Vereinigung Leben zu geben und auf diese Weise ihr neues Heim bis in die Ewigkeit zu schützen. Im Wetter liegt der Schlüssel. Sie webt Magie wie einen Wandteppich, verbindet olkische und doranische Macht zu einem einzigen Tuch. Dieser Faden für Regen, jener Faden für Schnee. Hier die Farbe von Sonnenschein, dort die Schatten des Windes. Die Macht baut sich auf, speist sich in die Mauer, die sie schafft, fließt aus der Mauer in die fruchtbare Erde und wieder zurück in die Mauer hinein. Es ist ein endloser Kreislauf von Geben und Nehmen, Auffüllen und Ab 346
    ziehen und abermaligem Wiederauffüllen. Ein nimmer endender Akt, der ein endloses Opfer verlangt. Und in seinem Herzen steht der Wettermacher, das lebende Rohr von Macht und Schmerz. Der Wettermacher ist der Weber, und die voneinander getrennten, zarten Garnstränge fädeln sich durch zerbrechliche Finger aus Fleisch und Knochen. Der Wettermacher kontrolliert die Magie, ist die Magie, webt den Wandteppich. Speist die Mauer. Schafft stetig neu und hält das Gleichgewicht zwischen olkischen und doranischen Kräften. Und wehe Barls geliebtem

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