Koenigsmoerder
Einbands ‐ und wurde nachdenklich...
Gar, der neben ihm auf dem Boden im Arbeitszimmer saß, schlitzte die scheinbar unberührte Naht des Buches mit seinem Dolch auf und zog das Tagebuch aus seinem Versteck. Dann hielt er es mit zitternden Händen umfangen und fragte sich, ob er träumte.
»Barl rette uns«, flüsterte Darran erstaunt. »Es gibt tatsächlich ein Tagebuch!«
Barl rette sie, in der Tat. Und mit nichts Geringerem als ihren eigenen Worten, wenn das Tagebuch wirklich einmal ihr gehört hatte. War das das Wunder, auf das er gewartet hatte? Gehofft hatte? Das Wunder, an das er gegen alle Erwartung geglaubt hatte?
Wenn es das nicht war, würde er zumindest nichts Besseres finden als dies hier.
Er klappte das Tagebuch auf und betrachtete die schnelle, unordentliche Handschrift, die verblasste Tinte, die Abdrücke der Geschichte. Mühsam gelang es ihm, die ersten Zeilen zu entziffern.
Es bekümmert mich, an die Magie zu denken, die wir zurücklassen müssen, aber in diesem neuen Land muss Magie Ordnung und Disziplin besitzen, darf kein alltäglicher Luxus sein, oder...
340
»Meine Güte«, sagte Darran, der ihm über die Schulter blickte. »Das sieht aus wie alter Hühnerdreck! Glaubt Ihr, dass Ihr es lesen könnt, Herr?«
Gar strich liebkosend mit den Fingerspitzen über die Seite, atmete den Duft von modrigem Staub und Zeit ein und spürte, wie die Kerze der Hoffnung aufloderte. Er lächelte. »Ja. Ich kann es lesen.«
Darran stieß einen hörbaren Seufzer aus. »Gerühmt sei Barl für kleine Vergünstigungen«, sagte er. »Aber dürfte ich vorschlagen, dass Ihr es später lest?
Die Männer des Königs werden bald hier sein und diese Bücher haben wollen.
Und ausnahmsweise einmal bin ich geneigt zu glauben, was Willer sagt: Wir sollten sie nicht warten lassen.«
Also versteckte er das Tagebuch hinter einem Bücherregal und beeilte sich, Darran zu helfen, den Rest von Durms gesammelten Leben und Lehren zusammenzupacken. Als sie fertig waren und die Bücher, Papiere und Journale säuberlich in Kisten aufgestapelt neben den Vordertüren des Turms lagen, zwang er sich, mitten in der Eingangshalle für einen Moment still dazustehen und zu atmen, einfach nur zu atmen.
»Was jetzt, Herr?«, fragte Darran.
»Jetzt?« Er schüttelte den Kopf, um klarer denken zu können. Dann wischte er sich mit dem Unterarm den Schweiß vom Gesicht. »Jetzt habe ich Arbeit, Darran.
Und wenn Barl barmherzig ist und unsere Gebete wahrhaft erhört, wird es in diesen Seiten irgendetwas geben, das nicht nur das Königreich, sondern auch Asher retten kann.«
»Dann solltet Ihr besser gleich anfangen, Herr«, sagte Darran. »Und keine Bange.
Ich werde dafür sorgen, dass Ihr nicht abgelenkt oder gestört werdet.«
Gar schenkte ihm ein schnelles Lächeln. »Guter Mann.«
Während auf Darrans müdem, ausgezehrtem Gesicht ein Lächeln aufleuchtete, drehte Gar sich um und ging auf die Wendeltreppe zu. Er nahm immer drei Stufen gleichzeitig und dachte:
Bitte, Barl. Bitte. Sei barmherzig, nur dieses eine Mal.
341
Pellen Orrick saß an seinem Schreibtisch und blickte stirnrunzelnd auf die vor ihm ausgebreiteten Berichte. Keine Spur... keine Spur... keine Spur... Dathne, die Buchhändlerin, und Gars ehemaliger Stallmeister, Matt, waren nirgends zu finden.
Er trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch und zog die Brauen noch fester zusammen. Was hatte ihr Verschwinden zu bedeuten? War es ein Zufall?
Unwahrscheinlich. Waren sie lediglich entsetzt darüber, dass ihr Freund als Verräter überführt worden war? Möglich. Oder waren sie ebenfalls verwickelt in diese Ketzerei und jetzt verzweifelt darauf bedacht, ihr eigenes verkommenes Leben zu retten? Ebenfalls möglich. Vielleicht sogar wahrscheinlich.
Was bedeutete, dass König Conroyd Recht hatte und dies eine Verschwörung war. Es war ein furchtbarer Gedanke mit Konsequenzen, die zu schrecklich waren, um sie sich auszumalen. Nur dass er der Hauptmann der Stadt war und es seine Aufgabe, seine Pflicht war, sich solche Dinge auszumalen.
Fröstelnd lehnte Orrick sich auf seinem Stuhl zurück und blickte aus dem Fenster zum Marktplatz hinüber. Er konnte über dem Gedränge von Menschen, die sich nach wie vor dort versammelten, um zu staunen und sich an dem Spektakel zu weiden, gerade noch die obere Kante von Ashers Käfig sehen. Jetzt, da praktisch jeder von seinem Verbrechen und seinem unmittelbar bevorstehenden Tod wusste, befanden sich in der Stadt ebenso viele
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