Körper-Haft (German Edition)
ich völlig unschuldig an seinem Tod war. Ich stellte mir abschließend vor, wie Sie die Flashspeicher dem Staatsanwalt übergeben würde …
Dann empfand ich einen furchtbaren Schreck, etwas wie ein Erwachen. Verschiedene Gedanken zu einem Agenturprojekt schossen durch mich hindurch und dass die Tussi in der Kaffeeküche doch keine Ahnung von ihrem Job hatte. Dann sah ich fast wie in Zeitlupe, wie der Kaffee aus dem Latte-Glas geschleudert wurde und rasch zerlaufendes Fragezeichen an der weißen Wand hinterließ. Natalies Beine schienen regelrecht in der Luft zu hängen, so als habe unsere Begegnung sie buchstäblich von den Beinen gerissen. Ich hatte plötzlich das Bild im Kopf: Als wäre sie in vollem Lauf gegen eine Schranke gerannt.
Der Schreck saß nun auch tief in meinen Gliedern und ich wollte sie instinktiv auffangen, damit sie nicht voll auf den Rücken stürzte. Ich griff durch Sie hindurch! Eine Frage raste brennend heiß durch ihr Bewusstsein und spiegelte sich in meinem wider: »Frank?!« Dann schlug sie hart auf dem Parkettboden auf. »Merde!«, stöhnte sie leise und blieb dann liegen.
Katrin von der Rezeption hatte aufgeschrien und eilte bereits zu ihr. Aus allen Büros kamen die Kolleginnen herausgeflitzt und sogar Mike kam schaulustig aus seinem Büro gerannt.
»Macht ihr die Bluse auf, sie bekommt ja gar keine Luft mehr!« Nachdem er von mindestens fünfzehn Frauen giftig angeschaut worden war, setzte er etwas kleinlaut nach. »Jetzt habt Euch nicht so, ich will ja nur helfen!«
Natalie hatte sich keuchend aufgesetzt und zitterte am ganzen Körper. Sie war leichenblass und hatte die gehetzten Augen eines gejagten Tieres. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn und ihr Atem ging keuchend, als hätte sie gerade einen Marathon hinter sich gebracht. Ich stand in einer sicheren Ecke, beobachtete die Szene und hatte dabei ein furchtbar schlechtes Gewissen.
Hatte ich gerade zu viel Gas gegeben? Als ich durch Brötchen hindurchgegangen bin, war das ein dummer Zufall gewesen. Aber jetzt war ich ganz bewusst durch Natalie gegangen und hatte intensiv an das gedacht, was ich ihr mitteilen wollte! Und meine Gedanken glichen einem Überfallkommando!«
Zitternd stand sie vollends auf, strich sich zuerst den Rock zurecht und schob sich dann einige wirre Haarsträhnen aus dem Gesicht. Um Haltung bemüht sagte sie: »Entschuldigung, isch wollte nischt diese Unordnung machen. Isch gehe jetzt wohl besser `eim.«
Ich war froh, dass sich Katrin angeboten hatte, sie nach Hause zu fahren und beschloss gleich mitzufahren, um herauszufinden, wo Natalie lebte und im Zweifelsfalle schnell bei ihr zu sein.
Unsicherheit
Nachdem Katrin sie nach Hause gebracht hatte und sich immer wieder versichern ließ, dass alles in Ordnung sei, hatte sie Natalie schließlich allein gelassen. Sie hatte inzwischen eine Yogahose und einen dicken Sweater an. Zitternd umklammerte sie eine große Tasse Tee mit beiden Händen. Sie saß zusammengekauert auf ihrer Couch.
Plötzlich schien sie innerlich einen Entschluss gefasst zu haben. Sie stellte die Tasse ab, stand auf, streckte wie eine Blinde die Arme aus und lief mit unsicheren Schritten ihre Wohnung ab. Was dann passierte, stellte mir die Nackenhaare auf. Sie räusperte sich ein paar Mal leise, wie um ihrer eigenen Stimme mehr Sicherheit zu geben. Sie kam gerade unsicher mit ausgestreckten Armen auf mich zu, als sie leise fragte: »Frank? Frank, bist Du `ier?«
Der Schreck fuhr mir mit einer schneidenden Eiseskälte die Wirbelsäule hoch und ließ mein Herz in eisiger Umklammerung ein paar Takte aussetzen.
»Bist Du … bist Du tot?!«
Ein dicker Kloß machte sich in meinem Halse breit. Was musste diese Frau gerade durchmachen? So wie es aussah, hatte sie mich in der der Agentur mehr als deutlich wahrgenommen. Konnte sie meine Gegenwart auch jetzt noch spüren? Oder war es lediglich ihre Angst vor dem Geist, der ihr in der Agentur begegnet war? Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Dass ich für sie als Geist eines Toten erschien, war selbst für mich gewöhnungsbedürftig.
Meine Gedanken drehten sich immer schneller. Wenn ich Sie noch einmal berührte, riskierte ich, dass sie völlig hysterisch durchdrehte. Wenn ich Sie nicht berührte, ihr keine weiteren »Antwort« zukommen ließ, würde ich sie im Ungewissen lassen und sie würde ihren Geisteszustand in Frage stellen. Ich saß zweifelsohne in einer Zwickmühle und es schlugen mindestens zwei Herzen in meiner Brust.
Es wäre
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