Kohärenz 03 - Time*Out
spät, noch etwas mit dieser Einsicht anzufangen.
Er sah, wie Serenity und Guy durch das Portal nach draußen geleitet wurden. Serenity wandte sich ein letztes Mal um, aber sie war zu weit entfernt, als dass er ihren Gesichtsausdruck hätte erkennen können. Er war froh darum. Und es tat ihm leid, weil er bald vergessen haben würde, was sie ihm bedeutet hatte.
Er wartete, bis sie draußen waren, endgültig draußen, dann fiel ihm die Hand mit der Waffe herunter, als wäre alle Kraft aus ihr gewichen. Einer der Upgrader trat zu ihm, nahm sie ihm weg, sicherte sie und steckte sie ein. Christopher sah gar nicht hin. Er schaute nur auf seinen Fuß hinab, der wie verrückt schmerzte. Beim Anblick der Blutlache wurde ihm schlecht.
»Komm, mein Sohn«, sagte die Kohärenz mit der Stimme, dem Mund, dem Körper seiner Mutter. »Verarzten wir dich erst einmal.«
Es klang so echt, so perfekt, aber Christopher wusste, dass seine Mutter, seine wirkliche Mutter, in diesem Moment nicht so ruhig geblieben wäre.
Er ließ sich von ihr zu einem der Tische führen, die, auf fest in den Boden gemauerten Stahlstützen ruhend, das Areal der drei Behandlungsliegen umschlossen. Gehorsam setzte er sich auf die freie Tischplatte, ließ sich den zerschossenen Schuh vom Fuß ziehen und stöhnte auf, weil es wehtat, verdammt weh.
Aber er war ja jetzt in den Händen der Kohärenz. Alles lief perfekt. Ohne ein Wort wechseln zu müssen, arbeiteten die Upgrader Hand in Hand. Einer reichte Verbandsmaterial an, ein anderer Sterilisationslösung. Jeder Griff saß, tat etwas Sinnvolles, zeugte von unermesslicher medizinischer Erfahrung.
Er schaute zur Seite. Da – das Tablett, auf dem die Handschellen lagen, die sie Serenity und Guy abgenommen hatten.
Wenigstens das hatte er noch erreicht. Wenn schon sonst nichts. Wenn er jetzt sogar froh sein musste, in den Händen der Kohärenz zu sein, die sich perfekt um ihn kümmern würde.
»Es wird eine Operation nötig sein«, erklärte seine Mutter, während sie die Wunde mit Sterilisationslösung abtupfte und betastete. »Da ist wenigstens ein Knochen frakturiert.«
Noch so ein Wort, das seine Mutter nie benutzt hätte. Das sie nicht mal gekannt hätte.
»Aber das hat Zeit«, fuhr sie fort und begann, einen provisorischen Verband anzulegen. »Erst werden wir –«
Sie hielt inne. Sie hielten alle fünf inne. Sahen hinauf zu der großen Glaskuppel, über der plötzlich ein Hubschrauber kreiste.
Von einer Sekunde auf die andere war zu spüren, dass die Kohärenz unruhig wurde.
Die vier Männer stellten hin, was sie an medizinischen Instrumenten in Händen hielten, zückten ihre Pistolen und verließen den Glasklotz. Oben auf den Galerien sah man Upgrader rennen. Manche von ihnen hielten Gewehre in Händen.
Christophers Mutter beeilte sich mit dem Verband, nahm weniger Rücksicht darauf, ob sie ihm wehtat oder nicht. »Das sind alberne Dinge, die sich da draußen abspielen. Wenn diese dummen Leute versuchen sollten, dieses Gebäude zu erstürmen, werden sie ihr blaues Wunder –«
»Mir wird schlecht«, sagte Christopher.
Seine Mutter blickte nicht hoch, klebte das letzte Stück des Verbandes fest. »Leg dich auf eine der Liegen.«
Christopher sank seitlich um, klappte regelrecht zusammen. Jetzt sah sie doch auf.
Dann war es nur noch eine schnelle Bewegung: Eine der Handschellen vom Tablett schnappen, sich nach vorn werfen und sie mit einem Ratsch um das Handgelenk seiner Mutter einrasten lassen. Und das andere Ende um eines der Tischbeine.
»Christopher?«, schrie sie auf. »Was soll das?«
Er antwortete nicht, sondern nahm sich das zweite Paar Handschellen, humpelte zur Schiebetür und legte sie so um deren Griffe, dass man sie nicht mehr öffnen konnte, nicht einen Spalt weit.
»Was soll das werden?«, zeterte seine Mutter, die nun überhaupt nicht mehr wie seine Mutter klang, sondern wie eine Furie. »Was glaubst du, was du damit erreichst?«
Von draußen kamen schon Upgrader angerannt, die meisten von ihnen mit Waffen in den Händen.
Christopher drehte sich weg, aber eine Spur zu schnell: Er kam mit seinem verletzten Fuß gegen ein Tischbein.
Schmerz durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag. Jetzt war ihm wirklich schlecht. Er musste sich auf einer der Liegen abstützen, warten, bis die Schatten um ihn herum verschwanden.
Die Upgrader hämmerten gegen die Tür. Sollten sie. Sollte das Panzerglas mal zeigen, was es wert war.
Ein ohrenbetäubender Knall. Sie schossen auf das Glas,
Weitere Kostenlose Bücher