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Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Zäuner
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Besseres widerfahren, als sie sich vor einigen Jahren unter äußerst wid rigen Umständen über den Weg gelaufen sind. Kokoschansky weiß, was er ihr zu verdanken hat. Schließlich war sie es, die ihn aus diesem Sumpf aus Alkohol und Drogen herausgezogen hat, ihm mit Konsequenz, unendlicher Geduld, Beharrlichkeit und vor allem mit einem Übermaß an Liebe gezeig t hat, wo es tatsächlich langgeht. Trotz ihrer Jugend, immerhin könnte Lena seine Tochter sein. Doch der Altersunterschied war für sie niemals ein Thema. Inzwischen weiß Lena, wie sie mit diesem riesengroßen Kerl um­ zugehen hat, kennt seine Macken, Ecken und Kanten, kann sich darauf ein­ stellen, ohne selbst etwas von sich aufgeben zu müssen. Beide wissen was sie aneinander haben. Daher gibt es keine gegenseitigen Vorschriften, aber unausgesprochene Spielregeln, an die sich beide eisern halten. Lena weiß, dass Kokos raue Schale nur ein Schutzwall ist. Dahinter verbirgt sich ein einfühlsamer, sensibler und empfindsamer Mann mit einem butterwei chen Kern, dem schon mal ein Kinderweinen, ein Hundeblick, eine zu Her zen gehende Musik oder eine rührende Filmsequenz Tränen in d ie Augen steigen lässt. Meist versucht er das zu verbergen, doch sie bemerkt es und findet ihn deswegen nur noch liebenswerter.
    Allerdings kann er auch anders. Wer es unbedingt wissen will, sollte sich mit diesem Kokoschansky nicht anlegen und ihn sich zum Feind machen. Einer seiner Lieblingssprüche lautet: „Wer mir ungerechtfertigt auf die Zehen steigen will, dem trete ich bei passender Gelegenheit gegen das S chienbein.“ Fühlt er sich ungerecht behandelt, kann er gnadenlos sein, bleibt un versöhnlich und dank seines phänomenalen Elefantenge­dächt­nisses vergisst er auch nichts. Und er kann warten. Selten schlägt er sofort zurück. Kokoschansky verhält sich wie der alte Indianer, der an der Fluss­b iegung sitzt und auf seine Chance lauert. Irgendwann treiben die Leichen vorbei. Mitunter dauert es Jahre und seine Kontrahenten denken gar nicht mehr d aran. Plötzlich ist Kokoschansky da und zahlt alles auf Heller und Pfennig zurück.

    Lenas sechs geschriebene Worte zaubern ein zärtliches Lächeln in seine verschlafene Visage. Das ist ihre Gabe, neben vielen anderen Vorzügen, diesen Hünen im entscheidenden Augenblick, egal was passiert oder wi e schlecht er gerade drauf ist, im Handumdrehen um den Finger wickeln zu können, ohne ihm die Rute ins Fenster zu stellen. Natürlich weiß er, dass sie, wenn sie will, an jedem Finger zehn haben könnte und keinen wie ihn braucht, der ihr Vater sein könnte. Aber sie hat sich nun einmal für ihn entschieden und wenn Lena eine Entscheidung gefällt hat, gibt es nichts mehr daran zu rütteln.
    Kokoschansky nimmt den Zettel, beugt sich zur Schublade des Nacht­tischkästchens hinunter, zieht sie auf und nimmt eine kleine Blechschachtel heraus, die er sorgfältig unter anderem Kram versteckt hält. Er glaubt zwar, seine Lebensgefährtin habe davon keine Ahnung, doch da ist er auf dem Holzweg. Zufällig entdeckte sie das kleine Ding beim Aufräumen und , berufsbedingt nun einmal neugierig wie es sich für eine Polizistin gehört, guckte sie nach und freute sich ungemein darüber. Sorgfältig vertuschte sie alle Spuren und lässt ihren Koko in seinem Glauben. Ihm wäre es mit sein en dreiundfünfzig Jahren mit Sicherheit sehr peinlich, wenn er wüsste, dass s ie ihm auf die Schliche gekommen ist. Den Zettel legt er auf den anderen Packen süßer Botschaften, die Schachtel wird verschlossen und wieder an ihren Platz zurückgelegt. Schlagartig kehrt seine miese Laune zurück.
    „Dreitausendvierhundertfünfzig Euro“, grummelt Kokoschansky vor hin . „Ich bin ein ziemlicher Trottel. Selber schuld!“ Er schiebt die Überdecke weg, hievt sich endgültig aus dem Bett und sucht mit nackten Füßen nach seinen Pantoffeln. Dabei wiederholt er mehrmals, jeweils mit einem kräftigen Fluch begleitet, diese Summe. Zornig schaltet er den Radiowecker au s. Das Einheitsgedudel reicht jetzt.
    Ein stattlicher Betrag mit dem sich bei Gott Besseres anfangen ließe, als ihn dem unsympathischen Dicken mit dem Monsterdoppelkinn in den Rachen zu stopfen. Ebenso gut könnte er die Kohle in den nächsten Gully werfen. Doch die Schergen des Finanzministers kennen keinen Pardon, beim Steuereintreiben sind sie unerbittlich. Wenn Koko zumindest die Gewiss­heit hätte, dass mit seinem sauer verdienten Geld tatsächlich Sinnvolles angestellt werden

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