Kokoschanskys Freitag
und provozierend, doch der Typ reagiert nicht, ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Der Journalist zieht sein Sparbuch aus der Jacke, schlägt es auf und blickt auf sein Guthaben. Endlich kommt wieder Bewegung in die Schlange. Den ungeduldigen Anzugmensch miteingerecht, hat Kokoschansky noch drei Personen vor sich.
Plötzlich verändert ein einziges gebrülltes Wort schlagartig die Situation. „Überfall!“
Der Journalist realisiert in Sekundenbruchteilen, dass er sich leider nicht im falschen Film befindet. Trotz des Ernstes der Lage möchte er am liebs ten lauthals loslachen. Das darf alles nicht wahr sein! In diesem Augenblic k verspürt er nicht die geringste Angst. Was für ein beschissener Tag und das bereits am Morgen!
„Hände hoch!“, kommandiert der Bankräuber von dem Kokoschansky bisher noch nichts gesehen hat, da er mit dem Rücken zum Eingang steht.
Der Kriminelle drückt dem Security-Mann seine Pistole an den Hals. „Du“, herrscht er ihn an, „gib mir schön vorsichtig deinen Pumperer 2 . Mach keinen Blödsinn, sonst blase ich dich um!“
Bestimmt war der junge Sicherheitsmann noch niemals in einer derartig bedrohlichen Notlage, in Sekundenschnelle ist er schweißgebadet. Mit zitternden Fingern und leichenblass nestelt er am Reißverschluss der Jacke herum. Das ist dem Bankräuber viel zu langsam. Blitzartig reißt er ihm die Smith & Wesson aus dem Schulterhalfter. Kokoschansky hört nur einen dumpfen Schlag, einen kurzen Aufschrei und einen Aufprall. Vorsichtig dreht er sich mit erhobenen Händen seitwärts und sieht einen Mann mit einer klaffenden Stirnwunde am Boden liegen, um dessen Kopf sich langsam eine Blutlache ausbreitet. Der Kolben seiner eigenen Waffe hatte den Security-Mann mit voller Wucht auf der Stirn getroffen und ihn wie einen Baum gefällt.
Oh verflucht! Der Typ ist eiskalt und skrupellos. Langsam sträuben sich Kokoschanskys Nackenhaare. Schwer einzuschätzen, ob es sich um einen Amateur oder Profi handelt. Jedenfalls hält er nicht zum ersten Mal eine Waffe in der Hand. Das entgeht auch Kokoschansky nicht. Und davon hat der Kerl nun zwei! Mit der Smith & Wesson in der Linken zielt er auf die Kunden. Seine eigene, eine Glock, ist auf die Bankangestellten gerichtet.
„Hinlegen!“, brüllt der untersetzte Bankräuber die Kunden an. „Alle auf den Boden! Ich knall jeden ab, der Scheiße baut!“
Wieder will es einer wissen. In den letzten Jahren ist Wien zu einem ausgezeichneten Pflaster für Banküberfälle geworden. Aufklärungsquote weit unter fünfzig Prozent.
„Ihr da“, schreit der Ganove die Bankangestellten an, breitbeinig wie ein Westernheld mit den Waffen in Händen stehend, „ihr bleibt, wo ihr seid! Hände in den Nacken! Niemand drückt den Alarmknopf, sonst gibt’s hier ein Massaker!“
Die Filiale der Bank Austria an der Ecke Brünnerstraße/Edergasse im einundzwanzigsten Wiener Bezirk liegt für einen Überfall strategisch äußerst günstig. In den vergangenen Jahren wurde diese Filiale bereits zweimal ausgeraubt. Die beinahe schnurgerade Brünnerstraße führt auf direktem Wege in kaum einer Stunde nach Tschechien. Ideal zum Untertauchen und für Profis fast problemlos, zumal es bei Alarm- und Ringfahndun gen genügend Ausweichmöglichkeiten gibt, sofern die Fluchtroute genau geplant ist. Wer noch die Überlastung der Polizei mit einkalkuliert hat gute Chancen unbehelligt davonzukommen.
„Sind Sie wahnsinnig geworden?“
Der gelackte Affe in seinem teuren Anzug entpuppt sich als überges chnappter Kamikaze. Dreht er sich doch glatt um und geht auf den schwer bewaffneten Gauner zu. Weit kommt er allerdings nicht. Der Schuss kling t in dem Kassenraum wie eine gewaltige Detonation und verursacht augenblicklich Ohrenschmerzen. Haarscharf zischt das Projektil an Kokoschans kys rechter Wange vorbei, der instinktiv zusammenzuckt und den Kopf einzie ht. Das Geschoss zertrümmert eine der Überwachungskameras über einem Schalter. Glassplitter der zerschossenen Optik und Plastikteile des zertrümmerten Gehäuses rieseln herab.
„Beim nächsten Mal gehst du drauf“, schnaubt der Bankräuber und legt auf den verhinderten Helden an.
Der Anzugträger ist kalkweiß im Gesicht geworden. Auf seiner Hose rund um den Schritt bildet sich ein dunkler Fleck, der sich rasch vergrößert und schnell bis zu den Knien reicht. Vor Angst schlotternd wirft er sich bäuchlings zu Boden, verschränkt die Hände im Nacken und scheint nach der buchstäblichen
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