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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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hatte. Er schrieb den Umstand, daß ihm, wie er meinte, die mühseligsten und unangenehmsten Arbeiten aufgebürdet wurden, seiner Rasse und nicht seinem niederen Praktikantenrang zu. Auch das gehörte zu den Symptomen des Februar-Tiefs, dachte Bellows, und würde sich geben. Aber für die Studenten war Cartwright wohl eher geeignet.
    »Miserables Wetter«, sagte Walters vom Spülbecken her. Das war nichts Neues, Walters sagte das immer, für ihn war jedes Wetter miserabel. Ihm wären 23 Grad im Schatten und eine Luftfeuchtigkeit von allenfalls 30 Prozent lieber gewesen. Vielleicht machten ihm seine Bronchien dann weniger zu schaffen. Doch da Boston derartiges kaum zu bieten hatte, war das Wetter für Walters stets miserabel.
    »Stimmt«, antwortete Bellows, weil die Höflichkeit es erforderte. Immerhin ließ er den Blick nach draußen schweifen. Die meisten Leute hätten Walters recht gegeben. Über den grauen Himmel zogen dunkelgraue Haufenwolken. Bellows dachte an seine fünf Studenten und sah der zusätzlichen Bürde plötzlich ganz freudig entgegen. Auf jeden Fall würden sie seine Position im Krankenhaus stärken und damit auch seine Zukunftsaussichten. Und das war den Mehraufwand allemal wert. Bellows hatte zu seinem Beruf eine machiavellistische Einstellung. Sonst hätte er bei der Konkurrenz wohl auch kaum eine Stellung im Memorial bekommen.
    »Wissen Sie, Walters, in Wirklichkeit ist das genau mein Lieblingswetter.« Bellows stand auf, schob den Stuhl zurück und sah den verdutzten Walters trotzig an. Ihm war selbst, als hätte er ein Sakrileg begangen und ein, zugegeben ausnehmend häßliches, Denkmal geschändet. Und ehe der hustende Walters mit der zuckenden Zigarette im Mundwinkel recht begriffen hatte, wie ihm geschah, enteilte Bellows durch die Tür. Die Zeit war gekommen, seine fünf Studenten in Empfang zu nehmen. Jawohl, Bellows war überzeugt: Die Mühe würde sich für ihn lohnen.

 
Montag
23. Februar
9 Uhr
     
    Susan Wheeler fuhr mit Geoffrey Fairweather in dessen Jaguar vom Studentenheim ins Krankenhaus. Der X 150, fast schon ein Oldtimer, konnte mit Mühe drei Personen aufnehmen. Paul Carpin, mit Fairweather befreundet, war der Dritte im Bunde, während George Niles und Harvey Goldberg mit dem Gedränge in der U-Bahn fertig werden mußten. Das Treffen mit Mark Bellows im Memorial war für neun Uhr anberaumt.
    Als der Jaguar mit seinen typisch englischen Mucken erst einmal angesprungen war, schaffte er die gut sechs Kilometer in anerkennenswerter Zeit. Susan Wheeler, Fairweather und Carpin betraten um 8 Uhr 45 das Hauptportal des Memorial. Zehn Minuten später kamen die beiden anderen, die auf das Wunder einer nur halbstündigen Fahrtdauer gehofft und genau doppelt solange gebraucht hatten. Das Treffen mit Bellows sollte im Klubraum von Beard 5 stattfinden. Keiner der fünf hatte die geringste Ahnung, wo der lag. Alle vertrauten auf die Macht des Schicksals, die sie richtig leiten würde, sobald sie erst einmal das geheiligte Memorial betreten hatten. Medizinstudenten neigen zur Passivität, insbesondere nach ihren ersten beiden Studienjahren mit der täglichen Hörsaalroutine von neun bis siebzehn Uhr. Mehr aus Zufall denn als Ergebnis ihrer Orientierungskünste trafen sich beide Gruppen an den Aufzügen. Die drei Jaguar-Privilegierten hatten ihren Vorsprung damit vertan, daß sie zunächst den Aufzug zum Thompson-Gebäude am anderen Ende der Eingangshalle genommen hatten.
    »Glaub’ kaum, daß mir dieser Kasten hier zusagt«, meinte George Niles bedrückt zu Susan Wheeler, als alle fünf sich in den überfüllten Lift quetschten. Susan verstand genau, was ihr Kommilitone ausdrücken wollte. Wenn man bereits Angst vor einem Ziel hat und es dann noch nicht einmal findet, verstärkt sich das Unbehagen. Alle fünf durchlebten im Augenblick ohnehin eine akute Krise ihres Selbstbewußtseins. Das Memorial bedeutete auch für sie das Mekka medizinischer Ausbildung, und sie hätten das Angebot, dort zu arbeiten, um nichts in der Welt ausgeschlagen. Gleichzeitig aber sahen sie in ihrer gegenwärtigen Gemütsverfassung nicht die geringste Chance, sich jemals zu verantwortlich handelnden Ärzten zu entwickeln. Sie trugen weiße Kittel und damit das äußere Kennzeichen der Mediziner-Innung. Aber was ein Patient war, wußten sie kaum, und die Stethoskope, die aus den Taschen baumelten, hatten allenfalls mit ein paar ausgesuchten Studienobjekten Berührung bekommen. Sie kannten komplizierte biochemische

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