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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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entsprach, außerordentlich wichtig vor.
    »Ach, wart nur, in ein paar Tagen fressen dir die Schwestern aus der Hand«, meinte Goldberg blasiert. Susan warf ihm einen verächtlichen Seitenblick zu, der an dem wenig sensiblen jungen Mann jedoch völlig verschwendet war.
    Susan stieß die Schwingtüren auf. Der Raum dahinter sah auf den ersten Blick wie eine Rumpelkammer aus: alte Bücher, zum Teil überholte medizinische Nachschlagewerke, Aktenstapel, schmutzige Kaffeetassen, Spritzen und Infusionsschläuche. An der linken Wand zog sich eine Art Tresen entlang, auf dem eine große Kaffeemaschine stand. Durch das vorhanglose Fenster an der Schmalseite des Raums drang das trübe Bostoner Morgenlicht herein. Mit den Leuchtröhren an der Decke konnte es nicht konkurrieren. An der Wand rechts hing ein Mitteilungsbrett mit zahlreichen Nachrichten, Zetteln und Bekanntmachungen. Die Wandtafel daneben war von Kreidestaub überzogen. Mitten im Raum standen Hörsaalstühle mit Schreibplatten an den rechten Armlehnen. Davor, mit dem Rücken zur Wandtafel, saß Bellows, den großen gelben Block in der Hand. Als die Studenten im Gänsemarsch eintraten, blickte er ostentativ auf die Uhr. Die Neulinge erkannten die Bedeutung dieser Geste sofort, vor allem Goldberg, der immer dann reagierte, wenn es um das eigene Fortkommen ging.
    Mehrere Minuten herrschte Schweigen. Bellows schwieg der Wirkung wegen. Er hatte keinerlei Erfahrungen mit Medizinstudenten, aber aus der eigenen Erinnerung fühlte er sich bemüßigt, Autorität hervorzukehren. Die Studenten schwiegen, weil ihnen unbehaglich war.
    »Es ist jetzt zwanzig nach neun«, sagte Bellows schließlich. »Diese Sitzung sollte um neun Uhr beginnen, nicht um zwanzig nach neun.« Keiner aus dem kleinen Auditorium verzog eine Miene: nur nicht gleich auffallen. »Ich halte es für geboten, von vornherein Klarheit zu schaffen.« Bellows stand gewichtig auf und nahm ein Stück Kreide in die Hand. »Wenn es in der Chirurgie eine Grundregel gibt, dann ist es Pünktlichkeit. Und ganz besonders hier im Memorial. Ich rate Ihnen, sich das zu merken, sonst wird Ihr Aufenthalt hier …« Er geriet ins Stocken, als er nach dem passenden Ausdruck suchte. Er tippte mit der Kreide an die Tafel und sah Susan Wheeler an, was zu seiner momentanen Konfusion beitrug. Schnell lenkte er seinen Blick auf das Fenster und den trüben Bostoner Himmel. »Sonst wird Ihr Aufenthalt hier einem langen, kalten Winter gleichen«, beendete er im zweiten Anlauf seine Philippika.
    Danach blickte er die Studenten ernst an und begann seine flüchtig vorbereitete Einführungsrede. Beim Sprechen musterte er die Gesichter. Fairweather erkannte er sofort: Die bernsteinfarbene Hornbrille paßte in sein vorgefaßtes Bild. Und Goldberg? Das mußte der dort drüben sein. Die beiden anderen männlichen Wesen lösten keine Assoziationen aus. Bellows wagte noch einen Blick auf Susan und fühlte sich sofort wieder verunsichert. Er hatte nicht damit gerechnet, daß sie so hübsch war. Ihre dunkelblauen Hosen schmiegten sich beängstigend eng an die Schenkel. Die hellblaue Bluse wurde von einem blau-roten Halstuch effektvoll zur Geltung gebracht. Der weiße Kittel stand vorn offen, und ihre ausgeprägten Brüste erfüllten alle Qualitäten von Geschlechtsmerkmalen, ein Umstand, der überhaupt nicht in Bellows’ Lehrer-Schüler-Konzept passen wollte. Am besten mied er bis auf weiteres ihren Anblick, aber es kostete ihn Mühe.
    »In Beard fünf werden Sie nur einen Monat Ihrer insgesamt dreimonatigen chirurgischen Ausbildung im Memorial verbringen«, sagte Bellows und legte die Monotonie in seine Stimme, die ihm als wesentlicher Bestandteil medizinischer Pädagogik erschien. »Das hat Vorteile, aber auch Nachteile, wie so vieles im Leben.«
    Carpin hielt ein leises Kichern für angebracht, verstummte aber sofort, als er merkte, daß niemand mitlachte.
    Bellows fixierte ihn und fuhr fort: »Zu Beard fünf gehört auch die chirurgische Intensivstation. Die Arbeit dort wird von großem Nutzen für Sie sein. Von Nachteil ist allerdings, daß Sie mit diesem Teil Ihrer klinischen Ausbildung beginnen. Sie haben doch bisher keinerlei klinische Erfahrung, oder?«
    Carpin sah nach links und rechts, um sicherzugehen, daß die Frage ihm gegolten hatte. »Wir …« Er mußte sich räuspern. »Ja, das stimmt«, brachte er heraus.
    »Die Intensivstation ist die für Sie alle möglicherweise ergiebigste Erfahrungsquelle«, sagte Bellows. »Andererseits

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