Komm schon
Computerarbeit?«
»Heute nicht, nein. Dafür werden Sie keine Zeit haben.« Sophie schob die junge Frau in Richtung Empfang, wo noch immer das Telefon klingelte und auf der Anzeige massenweise kleine grüne Lichter aufblinkten wie Leuchtkäfer an einem Sommerabend. Im Stillen schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel: Bitte, lieber Gott, mach, dass Raine bald wieder auf die Beine kommt!
»Okay. Diese Baustelle ist versorgt«, sagte sie. »Somit kann ich mich gleich der nächsten widmen.«
Spencer. Wo blieb er nur?
Sie rief ihn zu Hause an, erreichte aber nur den Anrufbeantworter. Sie versuchte, ihn am Mobiltelefon zu erwischen, wurde aber sogleich auf die Mailbox umgeleitet. Sophie schürzte die Lippen. Das sah Spencer so gar nicht ähnlich. Normalerweise meldete er sich, wenn er erst später ins Büro kam. War er wegen der Enthüllung in der Zeitung etwa vorübergehend untergetaucht?
Allmählich machte Sophie sich Sorgen. Wie würde er sich der Öffentlichkeit, den Medien gegenüber verhalten? Wie verkraftete er die Tatsache, dass sein jahrelang sorgsam gehütetes Geheimnis gelüftet worden war? In Bezug auf seine Ehe hatte er sich stets bedeckt gehalten. Sie erinnerte sich, dass sie ihn als kleines Mädchen danach befragt, aber nie eine konkrete Antwort erhalten hatte. Jetzt war ihr schlagartig klar, weshalb. Die Angelegenheit hatte ihn zweifellos in Panik versetzt.
Sie musste ihn möglichst bald ausfindig machen; nicht nur, weil er ihr ein Vorbild war und sie ihn als Mensch respektierte, sondern auch, weil er schon seit Jahren zu den engsten Freunden der Familie zählte. Stets hatte er seine Freundschaft mit Yank über sämtliche geschäftliche Rivalitäten gestellt. Er war auch für Lola da gewesen, als diese ihre Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft mit Yank endgültig begraben hatte. Es war Zeit, dass sich ihre Familie erkenntlich zeigte. Auch, wenn in diesem Fall alles an Sophie hängen blieb, weil der Rest der Crew gerade ausgeflogen war.
Spencer bei der Bewältigung dieser Krise beizustehen war eine willkommene Herausforderung, denn das würde sie von der Tatsache ablenken, dass sie sich einsam und überflüssig fühlte und nicht wusste, wie es in ihrem Leben weitergehen sollte.
Spencer war ein grundanständiger, vernünftiger Mensch. Er würde sein ungeplantes Coming-out schon überstehen - mit ihrer tatkräftigen Unterstützung. Die hatte er allemal verdient.
Spencer Atkins verdiente einen ordentlichen Tritt in den Hintern, fand Riley Nash und pfefferte angewidert die Zeitung quer durch sein Wohnzimmer. Erst war es nur eine Randbemerkung in der Regenbogenpresse gewesen, jetzt aber prangte die Schlagzeile in sämtlichen New Yorker Tageszeitungen: »Spencer Atkins: Sportmanager der Extraklasse und schwul!«
Wer hätte das gedacht? Sein einziger Sohn jedenfalls nicht.
Riley schüttelte den Kopf. Sein Leben war eine einzige große Lüge. Seine Eltern hatten ihm gesagt, wer sein biologischer Vater war und dass er von Senator Harlan Nash aus Brandon, Missisippi an Kindes statt angenommen worden war. Sein Adoptivvater war ein in der rechten Ecke angesiedelter Konservativer und hoffte auf den Einzug ins Weiße Haus. Die neueste Umfrage hatte ergeben, dass die Mehrheit der hiesigen Bevölkerung gegen die Ehe zwischen Homosexuellen war; seine Wähler wären also bestimmt nicht sehr angetan, wenn sie erfuhren, dass seine Frau vor Jahren mit einem schwulen Sportmanager verheiratet gewesen war - und dass Senator Nash den Sohn dieses Mannes großgezogen hatte.
Riley fuhr sich ächzend mit den Fingern durchs Haar. Seine Mutter war mit ihm schwanger gewesen, als Spencer Atkins sich von ihr getrennt hatte. Kurze Zeit später hatte sie Harlan Nash kennengelernt. Soweit Riley wusste, war es für seinen Adoptivvater Liebe auf den ersten Blick gewesen, und seine Mutter zeigte zumindest Interesse. Harlan hatte Anne in dem Wissen, dass sie das Kind eines anderen erwartete, zur Frau genommen und Riley großgezogen, als wäre dieser sein eigen Fleisch und Blut. Zwar konnte er sich sowohl seinen Angestellten als auch seiner Familie gegenüber zuweilen wie ein Diktator benehmen, doch mangelte es ihm weder an Herzensgüte noch an Zielstrebigkeit oder Tatkraft. Mit den Jahren hatte Anne eine tiefe Liebe zu ihrem zweiten Ehemann entwickelt.
Trotz seiner Klindheit und Jugend in Mississippi hielt Riley weder von der Politik seines Stiefvaters noch vom politischen Klima in seiner Heimatstadt besonders viel. Aber er liebte
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