Komm, suesser Tod
Munz hat gemerkt, daß der Bimbo jetzt nichts mehr hören will, und er selber ist ja auch froh gewesen, daß es sich mit der Spenderleber doch noch ausgeht.
Weil es ist drei Minuten vor fünf gewesen, und sie sind schon praktisch dagewesen. Durch die Aktion mit dem Gehsteig und mit der Einbahn hat der Bimbo bestimmt zwei Minuten herausgeholt.
"Scheiße!" hat der Bimbo geflucht, wie sie schon fast bei der AKH-Einfahrt waren. Weil von der Gegenrichtung, quasi mit dem Strom schwimmend, ist ihnen jetzt der 720er ebenfalls mit Blaulicht und Sirene entgegengekommen.
"Was für ein Arsch fährt heute den 720er?"
Natürlich hat der 720er nicht einen Millimeter nachgegeben.
Vielleicht zehn Meter vor ihnen ist er in das Haupttor hineingeschossen.
"Der Lanz."
"Ausgerechnet."
Der Bimbo hat es nicht glauben wollen, daß ihn ausgerechnet der alte Waschlappen Lanz beim Rennen um die Spenderleber ausgebremst hat.
"Es geht sich schon noch aus", hat der Hansi Munz versucht, den Bimbo zu beruhigen.
Der Wagen ist noch gar nicht richtig gestanden, ist der Bimbo schon hinübergesprintet. Weil an ungeraden Tagen hat immer der Fahrer die Spenderleber holen müssen, an geraden der Beifahrer, das ist so eine uralte Abmachung zwischen dem Bimbo und dem Hansi Munz gewesen, und heute Montag der 23., das wird der Hansi Munz nie vergessen, und wenn er hundertzehn Jahre alt wird wie die Frau Süßenbrunner, die sie vor zwei Wochen das letzte Mal zum Parkinson-Training gebracht haben.
Es sind ungefähr fünfzehn, zwanzig Meter vom Parkplatz zum Imbißstand hinüber. Weil der Kiosk steht schon am Rasen, gleich neben dem neuen Musikpavillon. Noch über eine Minute Zeit für fünfzehn Meter, da hätte der Bimbo gar nicht so rennen müssen. Zweimal Spenderleber mit Pfefferoni und süßem Senf, das ist sich auf jeden Fall noch ausgegangen vor der Sperrstunde um fünf. Weil da war die Imbiß-Rosi eisern: Wer sich vor fünf anstellt, kriegt noch was, aber ab fünf gibt es kein Anstellen mehr.
Dem Hansi Munz hat schon der Magen geknurrt, und er hat sich jetzt auch geärgert, daß sich der Bimbo hinter dem Lanz anstellen muß. Er hat sich also darauf einrichten müssen, daß es noch ein bißchen dauert, bis er seine heiße Spenderleber kriegt.
Ich weiß auch nicht, diesen Ausdruck hat einmal irgendeiner von den Fahrern aufgebracht, und alle haben es nachgeplappert.
Und vor ein paar Jahren hat es sogar die Imbiß-Rosi auf der Kreidetafel neben ihrem Ausgabefenster so angeschrieben:
Spenderleber 32,-, Spenderherz 60,-
(damals, heute schon 39 Schilling für die Spenderleber, und du wirst sehen, ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die 40-Schilling-Schallmauer fällt).
Aber natürlich Beschwerden von den Patienten, und der Krankenhausverwalter hat der Rosi so den Kopf gewaschen, daß sie wieder brav
1/4 Kilo Leberkäse und 1/2 Kilo Leberkäse
auf ihre Kreidetafel geschrieben hat. Aber mündlich hat der Verwalter natürlich nichts machen können, da ist es auf ewige Zeiten
Spenderleber
für den kleinen und
Spenderherz
für den großen Hunger geblieben.
Und der Hansi Munz hat jetzt nach der Aufregung so einen Hunger gekriegt, daß es ihm schon fast leid getan hat, daß er beim Bimbo nur eine Spenderleber bestellt hat. Andererseits, so groß kann der Hunger gar nicht sein, daß dir von einem Spenderherz nicht schlecht wird.
Langweilig ist dem Hansi Munz aber trotzdem nicht geworden. In dem schmalen Durchgang zwischen dem Stand von der Imbiß-Rosi und dem Musikpavillon hat er ein Liebespaar beobachtet, das keinen Leberkäse gebraucht hat.
Weil eher Gefahr, daß sich die beiden gegenseitig auffressen.
Die Frau hat einen weißen Schwesternkittel angehabt und war mindestens einen Kopf kleiner als der Mann, der ihr den Kopf in den Nacken gedrückt hat, daß dem Hansi Munz noch beim Zuschauen das Genick weh getan hat.
"Diese geile Sau", hat der Munz Hansi gemurmelt, wie die Krankenschwester ihren Kopf immer noch weiter zurückgebogen hat.
Er hat es jetzt gar nicht mehr eilig gehabt, daß der Bimbo zurückkommt, weil so hat er das Schauspiel in Ruhe genießen können. "So eine geile Sau", hat er immer wieder ausgerufen, obwohl er an und für sich noch nicht in einem Alter war, wo der Mensch zu Selbstgesprächen neigt. Der Hansi Munz war erst knapp über dreißig, die Leute haben ihn ja nur wegen seiner spießigen Art immer viel älter geschätzt. Und natürlich haben ihn seine altmodische Brille und seine dünne Pensionistenfrisur auch nicht gerade
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