Komm, trau dich
Sorgen um Lee zu machen war ihm fast ebenso zur zweiten Natur geworden wie das tägliche Zähneputzen. Das hieß zwar nicht, dass sie jemals auf seinen Rat hörte, aber er gab ihr trotzdem immer wieder einen. Genau wie Lee es mit ihm tat. Himmel, sie waren ja schon längst ein Paar. Sie lebten nur nicht in derselben Wohnung und sie schliefen nicht zusammen.
Diese Sache mit dem Sex war ihm zur fixen Idee geworden. Aber der Gedanke war ja auch so verführerisch. Lee war vollkommen, und er liebte sie sehr. Aber vielleicht liebte er sie nur deswegen, weil sie ihn nie um mehr bat als Freundschaft. Sie wurde nicht grantig, wenn er eine Verabredung mit ihr absagen musste. Sie bestand nicht darauf, immer zu wissen, wo er sich gerade aufhielt und was er tat. Es störte sie nicht einmal, wenn er sich über ihre Vorliebe für „Mr. Bean" lustig machte.
Ihre Beziehung war wie eine Oase in seinem stressgeplagten Leben.
Sie war das Beste, was ihm je widerfahren war.
„Zuerst einmal", antwortete Katy auf Lees Frage, „musst du drei Dinge klarstellen. Was willst du wirklich? Wird eure Beziehung durch die neue Intimität verbessert werden, oder wird sie das unerträglich belasten?"
Trevor spannte sich unwillkürlich an, ohne zu wissen, warum eigentlich.
„Und jetzt die wichtigste Frage", fuhr Katy unerbittlich fort. „Was passiert, wenn einer von euch sich verliebt?"
„Du meinst in den anderen?" stieß Lee hervor.
„Ja. Ihr müsst das in Betracht ziehen. Ihr wagt euch auf ein emotionales Gebiet. Alle möglichen Barrikaden werden heruntergerissen. Sex ist mächtig. Es kann die Dinge mit der Schnelligkeit eines Herzschlags verändern."
Trevor sah Lee an, und sie sah ihn an und blinzelte, als ob der Gedanke, sie könnte sich in ihn verlieben, ihr noch nie gekommen wäre.
Dagegen war ihm der Gedanke schon gekommen. Und genau das war das Problem. Er war ihm viel zu oft gekommen. Dabei machte er sich keine Illusionen über seine Mängel. Er konnte nicht tanzen. Er war allergisch gegen Erdbeeren, und er konnte keine ernste Beziehung eingehen. Ob er nun nicht konnte oder nicht wollte, war dabei gar nicht wichtig, das Ergebnis war sowieso das gleiche. Wenn Lee sich in ihn verliebte, würde er es nicht verhindern können, ihr wehzutun.
Und wenn er sich ... Ach was, das würde er nicht. Allein der Gedanke an so eine Möglichkeit trieb ihm wie immer den Schweiß auf die Stirn.
„Keine Sorge", sagte Lee leise, „Ich liebe dich zu sehr, um mich in dich zu verlieben. Das würde ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind antun, geschweige denn meinem besten Freund."
Am Abend fütterte Lee ihre Kater, George und Ira, streichelte sie liebevoll und sah ihnen eine Weile zu. George war größer als sein Bruder, aber Ira war ein unglaubliches Energiebündel. Er konnte sich in jeder Situation gegen den Getigerten behaupten und teilte manchmal sogar unprovoziert Pfotenschläge aus, während der arme George tief schlief. George war damit zufrieden, den ganzen Tag lang faul auf der Fensterbank zu sitzen, ohne ihr oder Ira die geringste Aufmerksamkeit zu schenken.
In ihrem nächsten Leben wollte Lee als Katze auf die Welt kommen.
In diesem Leben musste sie sich noch für die kommende Woche vorbereiten, ihre Mahlzeiten planen, ihre Kleidung zurechtlegen und zum Markt gehen. Und dann musste sie sich noch überlegen, was, zum Teufel, sie mit Trevor anfangen sollte.
Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und griff nach ihrem Kalender.
Verflixt! Sie und Trevor hatten nächste Woche eine Verabredung mit zwei Leuten, mit denen Katy sie verkuppeln wollte. Sie war nicht sicher, ob sie Lust darauf hatte. Andererseits begegneten sie womöglich ihren Traumpartnern. Nein, sie war zu müde, um jetzt darüber nachzudenken.
Am Dienstag Mittagessen bei Katy, gleich nach Katys Besuch beim Frauenarzt. Sie hoffte von ganzem Herzen, dass ihre Freundin diesmal gute Nachrichten haben würde. Katy und Ben verdienten es wirklich. Ben und Katy waren das glücklichste Paar, das sie kannte.
Jedes Kind wäre froh, solche Eltern zu haben.
Wenn sie nur jemanden wie Ben finden könnte oder so unbefangen im Umgang mit Menschen wäre wie Katy. Es half natürlich nichts, sich über die Wirklichkeit zu beklagen, und sie hatte sich ja auch unzählige Male gesagt, sie sollte aufhören, sich das Unmögliche zu wünschen, aber sie konnte nicht dagegen an. Es war wie eine Wunde, die nicht heilen wollte, und obwohl sie wehtat, bohrte sie weiter darin herum und hielt sich
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