Komm wieder zurück: Roman
ist, gepeinigt von Qualen, die er nicht vorhersehen konnte. Eine alte Kundin, die nach Kearney fragte; ihre Miene,als er ihr mitteilte, dass Kearney gestorben war, genügte, um die Wunde in seinem Herzen wieder aufzureißen. Ein Vogelhäuschen aus Fichtenholz, das im Schaufenster eines Eisenwarenhändlers stand, schnürte ihm die Kehle zu, als er Nägel verlangen wollte. Ein Irenwitz im Radio erwischte ihn kalt, und er lachte los, bevor ihm schlagartig aufging, dass es niemanden auf der ganzen Welt gab, dem er ihn erzählen konnte.
Doch dass Miriam ihn fortschickte, hätte er sich nie träumen lassen. Sie hatten sich nie wegen Geld oder Kindern oder Hausarbeit streiten müssen, der übliche Zwist, der, wie er annahm, für Kearney reserviert war. Nur ein einziges Mal war er wütend auf sie gewesen, bevor sie ihn wegschickte, doch daran war er selbst schuld. Er hatte sie seinem Bruder ausgespannt, aus purer Eitelkeit, mit einer speziell für sie ersonnenen männlichen Flirtmasche. Zum Teil hasste er sie dafür, weil sie so leicht herumzukriegen war und den Köder geschluckt hatte, weil sie schuld war, dass er sich so hoffnungslos in sie verliebt hatte.
Und dann starb Kearney, und er hätte an dessen Stelle treten und sie beide erlösen sollen, doch stattdessen wurde Miriams Blick leer. Ihre Augen leuchteten nicht mehr und sogen ihn nicht mehr auf, wenn er ihr allein begegnete. Nie wieder würde er sehen, wie sich ihre Lider schlossen, wenn er in sie eindrang, und dann wieder aufflogen, wenn sie kam. Es waren Augen, die ihn nie wieder erblicken wollten. Sie sagte, sie könnte den Gedanken nicht ertragen, Kearneys
Andenken
zu beschmutzen. Nicht genug, dass sie ihn zu seinen Lebzeiten vor ihrer Liebesaffäre beschützen mussten, jetzt galt es auch noch, den Geist des Mannes zu beschützen. »Was, wenn er von oben auf uns heruntersehen kann und uns beide in seinem Bett entdeckt?«, hatte sie gefragt wie in einem Fiebertraum. »Wir sollten nicht mal zusammen im selben Zimmer sein.« Sie war davon überzeugt, dass der allwissende Kearney sich zusammenreimen würde, was zu seinen Lebzeiten gespielt worden war. Den Rest der Ewigkeit würde er sich völlig am Boden zerstört drehen und winden, weil ihn die Menschen, die er am meisten liebte, betrogen hatten.
Onkel Calder versuchte, ihr Vernunft beizubringen. »Dies hier ist kein Stück von Shakespeare, das du in der Schule durchnimmst, Miriam. Um Gottes willen, denk an die Kinder. Die leiden doch auch.«
»An die Kinder denke ich dabei in erster Linie«, sagte sie, doch statt Miriam bis an ihr Lebensende geliebt zu sehen, anstatt seinen Kinder beim Ballspielen und Angeln und als Star in Schulaufführungen zuzuschauen, musste Kearney vom Himmel herab mit ansehen, wie Miriam unablässig Trübsal blies und seine Kinder sich selbst überlassen blieben. Nach dieser Logik musste er Onkel Calder auch dabei zusehen, wie dieser mit einem Foto von Miriam am Strand onanierte.
Er zieht die Stirn vom Fenster weg und tritt gegen die Wand, wobei ihm Wasser aufs Handgelenk spritzt. Er ist wütend. Kocht vor Wut. Alles geht wieder von vorn los.
Er schleudert das Glas auf den Boden, umklammert den Rollator mit beiden Fäusten und lässt die Premium-3-Deluxe-Edition mit voller Wucht ins Fenster krachen. Die Jalousie löst sich von der Stange, und er schlägt darauf ein, bis sie mitsamt der Stange und den Glasscherben unten im Schnee landet. Dann keilt er den Rollator ins Fenstersims, und es braucht nur noch einen kleinen Schubs, bis dieser hinaussegelt.
Kalte Luft strömt herein.
Der Akzent des Dänen war ganz deutlich. Nur drei Barhocker von Onkel Calder entfernt. Ganz ohne Zweifel kam der Mann nicht von hier. Sein hübsches großes Babygesicht schien alterslos. Seine Fäuste waren rosa und fleischig wie Pampelmusen. Das konnte doch nicht derselbe Däne sein, dachte Onkel Calder. Nicht der Mann, in dessen Frau Calder verliebt war. Dann bestellte Onkel Calder noch ein Bier und dachte an Kearney, der von dort oben die Regie führte.
An dem Dänen hing eine Lady. Eine Brust rutschte ihr ohne Vorwarnung aus der tief ausgeschnittenen Bluse. Der Däne stopfte sie wieder hinein. Sally hieß die Frau. »Wo ist er, Sally?«, fragte er immer wieder. »Du hast dir diesen dürren Gärtner doch nur ausgedacht, um mich eifersüchtig zu machen.«
Onkel Calder richtete sich auf und wünschte, er hätte ein Hörgerät.
»Wirst schon sehn«, sagte Sally. Sie schlug einen schelmischen Ton an. »Ich habe
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