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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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mein Wachbewusstsein dringen können.
    Â»Lia?«, wiederholte ich.
    Hinter mir war ein winziges metallisches Geräusch zu hören. Die Tür ging auf und eine Schwester betrat den Raum. Sie ging zum Fuß des Bettes, dort blieb sie einen Moment stehen und betrachtete die Gestalt des schlafenden Mädchens. Dann drehte sie sich um und ging wieder weg. Sie zog die Tür hinter sich zu und schaute durch das Glas herein.
    Ein weiteres scharfes Klicken war zu hören, als ob ein Schlüssel im Schloss gedreht wurde. Konnte es denn wirklich sein, dass Lia eingeschlossen wurde? Ich wollte es nicht glauben.
    Doch ich konnte die Tür nicht anfassen, nur durch sie hindurch auf den Flur dahinter gehen. Und es stimmte tatsächlich. Die Schwester hielt ein Schlüsselbund in der Hand. Sie ging zurück an den Tresen und gab die Schlüssel einer anderen uniformierten Frau, die sie in eine Schublade legte.
    Â»Und wie geht’s unserer kleinen Wildkatze?«, fragte die zweite Frau.
    Â»Schläft tief und fest. Wie kommt es eigentlich, dass du sie so nennst? Ich hab noch nie gesehen, dass sie sich rührt. Es ist, als würde sie im Koma liegen.«
    Â»Du hast die Abendschicht.« Die Frau am Tresen war offenbar die ältere von beiden. Um ihre Augen zog sich ein Netz aus feinen Fältchen und ihr schwarzes Haar war grau gesprenkelt. »Ich hatte Dienst an dem Morgen, als sie eingeliefert wurde. Da hättest du sie mal sehen sollen. Sie mussten sie in eine Zwangsjacke stecken. Diese Sache mit dem Schlafen macht mich nervös. Das ist einfach unnatürlich.«
    Â»Es ist Nachmittag, Zeit für die Siesta«, sagte die jüngere Schwester. »Ich wünschte, die wären alle so rücksichtsvoll, besonders die Alte in 512, die andauernd herumbrüllt.«
    Â»Ich meine das ernst. So was hab ich noch nie gesehen, das passt in kein Schema. Die Leute, die ins Koma fallen, bleiben da meistens auch. Diese hier ist morgens hellwach. Sie zieht die Sitzung mit ihrem Arzt durch und geht von dort aus zur Beschäftigungstherapie. Man würde schwören, dass sie total normal ist, wenn man es nicht besser wüsste.«
    Â»Nach Wildkatze klingt das gar nicht.«
    Â»Nein, das versteckt sie. Die unterdrückt das. Dann, plötzlich … wumm! Und die Hölle bricht los. Und dann … zong … schon schläft sie wieder. Wie eine Tote. Hast du schon mal versucht, sie zu wecken, wenn sie so weggetreten ist?«
    Â»Nein, das mach ich nicht. Ich bin dafür, die Leute in Ruhe zu lassen. Wenn sie schlafen, machen sie uns keine Scherereien.« Die jüngere Frau hielt inne. »Sie ist so ein hübsches Mädchen, sie sieht so süß und unschuldig aus. Man kann sich kaum vorstellen, dass sie so etwas Schreckliches getan haben soll.«
    Â»Und sie ist auch noch so jung, erst siebzehn. Wenn sie als Erwachsene verurteilt worden wäre, hätte man sie garantiert ins Staatsgefängnis gebracht, nicht hierher. Freispruch wegen Unzurechnungsfähigkeit! Wenn du mich fragst, ist das eine Ausrede. Damit waren sie aus dem Schneider und mussten sie nicht in eine Jugendstrafanstalt schicken. Dieses Risiko konnten sie nicht eingehen. Schließlich setzt man keinen Piranha in ein Goldfischglas.«
    Â»Hältst du sie wirklich für so gefährlich?«
    Â»Lass es mich mal so sagen: ich würde ganz bestimmt nicht wollen, dass sie bei mir einzieht.« Die ältere Krankenschwester schüttelte den Kopf. »Diese arme Katherine Abbott. In der Zeitung stand, dass sie nach dem Sturz unter ihrem Pferd lag. Ein Wunder, dass sie noch so lange gelebt hat, dass sie erzählen konnte, was wirklich passiert war.«
    Â»Lia hat sie über den Abhang getrieben?«
    Â»Das hat Katherine gesagt, bevor sie starb. Sie sagte, das Mädchen sei genau auf sie zugeritten und habe ihren Pullover geschwenkt und gekreischt wie eine Irre. Das Abbott-Mädchen ist ein nervöses Turnierpferd geritten. Das ist gestiegen und – so stand es in der Zeitung, aber ich hab das nie so richtig verstanden – Lia hat ihr eigenes Pferd direkt vor ihr zum Stehen gebracht, aber Lia selbst, die schien trotzdem weiter auf sie zuzukommen.«
    Â»Das ist doch verrückt«, sagte die junge Schwester. »Willst du damit sagen, dass sie nach vorn geschleudert wurde?«
    Â»So muss sie das gemeint haben, obwohl es in der Zeitung nicht so klang. Katherine wurde so zitiert, dass sie gesehen

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