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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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»Würden Sie gern über die beiden Mädchen reden?«
    »Es gibt nichts zu reden«, erwiderte er. Er war sehr blass, fast grünlich, doch wirkte er wesentlich entschlossener als bei seinem Eintreffen im Revier. »Sie machen einen Fehler«, sagte er. »Ich habe nichts getan.«
    Deborah bedachte mich mit einem Lächeln und schüttelte den Kopf. »Er hat nichts getan«, wiederholte sie fröhlich.
    »Durchaus möglich«, sagte ich. »Ein anderer könnte die blutigen Kleidungsstücke in seine Wohnung gebracht haben, während er Letterman geguckt hat.«
    »Ist es so gewesen, Jerry?«, fragte sie. »Hat ein anderer die blutigen Kleidungsstücke in Ihrer Wohnung versteckt?«
    Er wurde womöglich noch grüner. »Was … blutige … wovon reden Sie?«
    Sie lächelte ihn an. »Jerry, wir haben eine Ihrer Hosen gefunden, mit Blutflecken darauf. Es handelt sich um das Blut der Opfer. Wir haben einen Schuh und eine Socke entdeckt, dieselbe Geschichte. Und in Ihrem Auto fand sich ein blutiger Fingerabdruck. Ihr Fingerabdruck, deren Blut.« Deborah lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme. »Hilft das Ihrer Erinnerung auf die Sprünge, Jerry?«
    Während Deborah sprach, hatte Halpern angefangen, den Kopf zu schütteln, und er schüttelte ihn immer weiter, als wäre es ein unheimlicher Reflex und er wüsste nicht, dass er es tat. »Nein«, wehrte er ab. »Nein. Das ist so gar … Nein.«
    »Nein, Jerry?«, sagte Deborah. »Was soll das heißen, nein?«
    Er schüttelte noch immer den Kopf. Ein Schweißtropfen flog davon und platschte auf den Tisch. Ich konnte hören, wie er sich anstrengte zu atmen. »Bitte«, sagte er. »Das ist Wahnsinn. Ich habe überhaupt nichts getan. Warum sind Sie – das ist doch reiner Kafka, ich habe nichts getan.«
    Deborah drehte sich zu mir und hob die Augenbraue. »Kafka?«
    »Er hält sich für eine Küchenschabe«, erläuterte ich.
    »Ich bin nur eine ungebildete Polizistin, Jerry«, sagte sie. »Ich weiß nichts über Kafka. Aber ich erkenne solide Beweise, wenn ich sie sehe. Und wissen Sie was, Jerry? Ich sehe sie überall in Ihrer Wohnung.«
    »Aber ich habe wirklich nichts getan«, flehte er.
    »Okay«, erwiderte Deborah achselzuckend. »Dann helfen Sie mir. Wie sind diese Dinge in Ihre Wohnung gelangt?«
    »Das war Wilkins«, antwortete er und wirkte überrascht, als hätte ein anderer gesprochen.
    »Wilkins?«, wiederholte Deborah und sah mich an.
    »Der Professor aus dem Büro nebenan?«, fragte ich.
    »Ja, genau«, sagte Halpern, der plötzlich wieder Schwung bekam und sich nach vorn beugte. »Es war Wilkins – er muss es gewesen sein.«
    »Wilkins«, sagte Deborah. »Er zieht Ihre Kleidung an, tötet die Mädchen und bringt dann die Kleidungsstücke zurück in Ihre Wohnung.«
    »Ja, genau.«
    »Warum sollte er das tun?«
    »Wir stehen beide vor der Festanstellung«, erklärte er. »Aber nur einer von uns wird sie bekommen.«
    Deborah starrte ihn an, als hätte er vorgeschlagen, nackt zu tanzen. »Festanstellung«, sagte sie schließlich, und in ihrer Stimme lag Erstaunen.
    »Genau«, verteidigte er sich. »Das ist der wichtigste Moment jeder akademischen Laufbahn.«
    »Wichtig genug, um jemanden zu töten?«, fragte ich.
    Er starrte nur auf einen Fleck auf dem Tisch. »Es war Wilkins«, beharrte er.
    Deborah musterte ihn eine volle Minute mit dem Gesichtsausdruck einer wohlwollenden Tante, die ihren Lieblingsneffen betrachtet. Er sah sie ein paar Sekunden an, blinzelte, schaute kurz auf den Tisch, zu mir herüber und wieder auf den Tisch. Als das Schweigen andauerte, hob er schließlich erneut den Blick zu Deborah. »Also gut, Jerry«, sagte sie. »Falls das alles ist, was Sie beizutragen haben, denke ich, Sie sollten sich lieber einen Anwalt besorgen.«
    Er glotzte sie an, schien aber unfähig, irgendetwas zu erwidern, deshalb stand Deborah auf und ging zur Tür, und ich folgte ihr.
    »Ich hab ihn«, frohlockte sie. »Der Typ ist
gar
. Spiel, Satz, Sieg.«
    Und sie war so gut aufgelegt, dass ich nicht an mich halten konnte: »Falls er es war.«
    Sie strahlte mich an. »Selbstverständlich war er es, Dex. Himmel, mach dich nicht selbst nieder. Du hast großartige Arbeit geleistet, und dieses eine Mal haben wir auf Anhieb den Richtigen erwischt.«
    »Vermutlich«, sagte ich.
    Sie neigte den Kopf zur Seite und musterte mich, nach wie vor ein äußerst selbstbewusstes Feixen im Gesicht. »Was ist los, Dex?«, fragte sie. »Die Hosen voll wegen deiner Hochzeit?«
    »Gar nichts

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