Kommissar Katzorke: Süße Schrippen (German Edition)
ging zum Ausgang. So etwas Verrücktes hätte Sandor nicht einmal in sein neues, vom Genre her märchenhaftes Drehbuch geschrieben. Eine verschlüsselte Botschaft in einer Boulevardzeitung.
„ Ein Gag?“
An der Station Yorckstraße kam er wieder ans Tageslicht.
„ Glaubt einem keiner, wenn man das in ein Drehbuch schreibt!“
Er riss im Gehen die Anzeige aus der Zeitung und stopfte den Rest von dem Blatt in einen Abfalleimer. Im Copyshop mit der BZ unterm Arm aufzutauchen, kam weniger gut an. Junge Philosophie Studentinnen standen auf andere Literatur.
Den originellen Anzeigentext klemmte er zwischen zwei Seiten seiner Lektüre des französischen Philosophen Roland Barthes.
Der vielversprechende Titel: „Der Tod des Autors“.
Eine abgegriffene Lektüre, die er während seines Jobs gelegentlich demonstrativ in der Hand hielt. Vor allem, wenn zufällig hübsche Studentinnen den Laden betraten.
Seine Kollegin von der vorherigen Schicht wartete schon ungeduldig auf ihn. Er hatte sich verspätet, sie einen wichtigen Termin.
Schnell überprüfte er ihre Abrechnung und löste sie ab. Seine Schicht dauerte offiziell bis zweiundzwanzig Uhr. Manche Frühaufsteher gingen dann schon wieder zu Bett. Mit solchen Leuten pflegte er keinen Umgang.
Die Kasse musste immer stimmen, bis auf zehn Cent genau! Fehlte ein Betrag, wurde der vom Trinkgeld abgezweigt.
Am Schichtanfang hatte jeder Mitarbeiter die neuesten Defekte an den Kopiermaschinen in der Wartungsliste einzusehen. Bei Schichtende die Defekte eintragen und sämtliche Papierkörbe in einen Container entleeren.
Dafür gab es offiziell zehn Minuten Zeit.
Die genügte jedoch nicht, wenn die Kasse nicht stimmte.
Frühestens um zweiundzwanzig Uhr dreißig verließ er normalerweise seinen Arbeitsplatz. Oft wurde es jedoch später, bis er zuhause war. Kaum Gelegenheit für ihn, Freizeitbeziehungen mit der tagesgeschäftigen Welt zu pflegen.
Sandor betrachtete von seinem Tresen aus seine Kundschaft an den Kopierern. Heute war Rentnertag im Copyshop.
„ Der demographische Wandel.“
Er brummelte ärgerlich vor sich hin, denn die Omas und Opas an den Kopierern kamen selten allein mit den Geräten klar. Zusätzliche Arbeit für ihn.
Sandor seufzte und ließ seinen Roland Barthes unter dem Tresen verschwinden.
Die elektronischen Displays an Kopierern waren von Technikern gestaltet und programmiert worden, die sich über die kognitiven Einschränkungen im Alter keine Gedanken machten. Bei falscher Bedienung legten Geräte plötzlich wie vom Teufel besessen los.
Manche Einstellungsebenen und Modi für A4 Quer- oder Hochformat, A3 Sortieren, hell oder dunkel, ein- oder beidseitig, Einzel- oder Stapeleinzug blieben je nach Hersteller auch ihm als Profikopierer nicht immer erklärbar.
„ Mensch, Cyborg, bitte nicht wieder im Schleudergang!“
So redete er nur mit einer der Maschinen, wenn sie wieder einmal wie vom Teufel besessen Fehldrucke auszuspucken begann. Ein Gerät, das theoretisch alles konnte, aber dessen Hersteller einen dermaßen genialen Modus eingebaut hatte, der alle in den Wahnsinn trieb. Solch elementare Aussetzer von Elektronik waren anders nicht zu erklären.
„ Junger Mann, eine Frage. Könnten Sie mal vorbei kommen?“
„ Gleich.“
Wie erwartet, so ging die Schicht los.
„ Gleich. Bin gerade dabei, Seiten zu zählen.“
Sandor konnte sich mit Zahlenreihen selbst hypnotisieren. Weil sie für ihn eine kryptische Zeichensprache waren. Für seine Copyshop Kunden sah er dabei voll konzentriert aus. Sie warteten voller Respekt und geduldig, bis er bereit für sie war.
Zuvorkommend zu sein gelang ihm gelegentlich auch. Zum Beispiel, wenn eine Rentnerin mit zerschlissener Tasche hilflos im Laden stand.
Da half er gern. Fehlkopien berechnete er nicht. Gab ihr mehr Wechselgeld heraus.
Sobald keine Kunden im Laden waren, redete er mit sich laut. Vor allem, wenn er wegen Fehlfunktionen mal wieder stundenlang zwischen den Schrottgeräten hin und her hetzen musste.
„ Verfluchte Schrotthaufen! Saftladen!“
Der Kopierauftrag musste irgendwie fertig gebracht werden.
Gegen Abend hingen seine Arbeitsstunden immer zäher an ihren Minuten. Die Zeit lief wie eine Saftpresse. Am Ende kommt immer das Dicke heraus. So rückten die Zeiger der großen Wanduhr gegen Schichtende immer langsamer vor. Die Rentner waren schon längst wieder zu Haus.
Neue Kunden drängelten, holten spät noch Aufträge ab.
Am Abend hatte es jeder eilig. Leider hatte Sandor
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