Kommissar Morry - An Alle Gesucht wird Moerder
Steenlund wie unter einem wilden Krampf. Der beißende Schmerz, den die hochprozente Flüssigkeit verursachte, ließ ihn zu sich kommen. Sofort hielt Kirk O'Conner inne und preßte dem laut Stöhnenden die Whiskyflasche zwischen die Lippen. „Trink, das wird dir guttun!“
Das belebende Naß brachte Dr. Jules Steenlund nun vollends wieder in die Wirklichkeit zurück. Verstört schaute er abwechselnd in die über ihn gebeugten Gesichter.
„Was — was ist mit mir?“ brach es schwach über die blutleeren Lippen des Verletzten. Krampfhaft versuchte er sich in Sitzstellung hochzustemmen. Aufstöhnend fiel er aber wieder in die Kissen zurück.
„Ruhig, Boy! Ganz ruhig liegen bleiben“, sprach Kirk O'Conner beruhigend auf den Liegenden ein. Dabei hielt er die eine Hand des Verletzten fest und gab Beatrice Shannon mit seinem Kopf ein Zeichen, es ihm nachzumachen.
„Und vor allen Dingen müssen Sie jetzt mit Ihren verschmutzten Fingern von Ihrer Kopfwunde bleiben.“
„Wie?“ riß Dr. Steenlund seine Augen groß auf. Er schien in diesem Augenblick erst wieder richtig aufnahmefähig geworden zu sein. Seine Stimme nahm bereits einen festeren Klang ein.
„Wie komme ich hierher?“
„Sure, Mann! Sie haben einen verdammt guten Schutzengel gehabt. Denn die Kerls, die Sie in die Hölle schicken wollten, warfen Sie gerade an dem Landungssteg in den Bach, unter dem ich mich mit meinem Boot aufhielt!“ „Und Sie haben mich . . .“
„Yes! Ich und nicht zuletzt dieses hübsche Girl.“ „Verfluchte Kanaillen!“
„Wie bitte? — Hm, — Sie haben eine sonderbare Art sich zu bedanken. Wenn ich . . .“
„Pardon! Ich meine nicht Sie und die Miß, sondern diesen Pat Folker mit seinen Handlangern.“
„Was haben Sie mit Pat Folker zu schaffen gehabt?“ mischte sich Beatrice Shannon in das Gespräch. Ihr Gesicht nahm wieder den gehetzten Ausdruck an, den sie in Kirk Q'Conners Räumen fast ganz verloren hatte. Nun war wieder diese Mischung von Furcht, Angst und Grauen in ihr und ließ ihren Körper erschauern. Erstaunt schaute der Hausherr die Frau an. Erst jetzt fiel ihm der ungewöhnliche Umstand auf, die Frau zu dieser späten Stunde allein am Fluß angetroffen zu haben.
Was hatte eine Frau wie Beatrice Shannon so nahe der Themse gewollt? Damned! Und was hatte nun wieder diese Verstörtheit und dieses Zittern der Frau zu bedeuten? Wenn da dieser Pat Folker seine schmutzigen Hände im Spiele hatte, sollte er ihn, Kirk O'Conner, kennenlernen. Sofort sollte O'Conner Gewißheit erhalten und dabei eine weitere Überraschung erleben.
„Ich habe mit diesem Unmenschen eine teure Rechnung zu begleichen gehabt“, begann Dr. Jules Steenlund mit leiser Stimme und vertraute sich seinen Rettern an.
„Aus diesem Grunde hatte ich vor einigen Tagen die Haifisch-Bay in Stepney aufgesucht. Dort vermutete ich einen Menschen zu treffen, der mir in meiner derzeitigen Lage einige Auskünfte erteilen sollte. Ich erhielt diesen Hinweis von einem Mann, dem ich meine Flucht aus der Strafanstalt verdanke, in der ich zusammen mit diesem braven Boy über ein halbes Jahr unschuldig verbringen mußte. Leider traf ich diese besagte Person nicht mehr in der Haifisch-Bay an. Dafür aber schien ich diesen Leuten kein Unbekannter zu sein, denn als ich ahnungslos das
Lokal verließ, erhielt ich hinterrücks einen schweren Hieb über den Kopf und fand mich Stunden danach in einem fürchterlichen Kellerloch wieder. Wie lange man mich dort festgehalten hat, weiß ich nicht. Heute jedoch erschien dieser Aasgeier Pat Folker um mich zu verhöhnen und um über mich den Stab zu brechen. Sein Urteil hieß...“
Wie gebannt hatten Beatrice Shannons Augen an den Lippen des Sprechers gehangen. Eine grauenhafte Vermutung stieg in ihr auf, und als Dr. Steenlund weitersprechen wollte, brach es aus ihr gequält heraus: „Wer war der Mann, auf dessen Rat Sie die Haifisch-Bay aufsuchten, und was ist mit ihm? Und wen haben Sie in der Haifisch-Bay treffen wollen?“
Dr. Jules Steenlund schloß erschöpft seine Augen. Ein bitterer Zug grub sich um seine Mundwinkel. Dennoch antwortete er einige Augenblicke später ahnungslos:
„Viele Fragen auf einmal, Miß. Trotzdem sollen Sie erfahren, wer ich bin und welches Ende mein selbstloser Ratgeber genommen hat.“ Hätte Dr. Jules Steenlund in diesem Moment in das Gesicht Beatrice Shannons geschaut, so hätte er sich lieber die Zunge abgebissen, als auch nur noch ein einziges Wort weiterzusprechen. Aber die
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