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Kommissar Morry - Der Moerder von Richmond Hill

Kommissar Morry - Der Moerder von Richmond Hill

Titel: Kommissar Morry - Der Moerder von Richmond Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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stellen."
    „Du wärest der richtige Politiker!" höhnte Julia. „Du würdest nur an dich denken."
    „In diesem Punkt sind wir einander sehr gleich."
    Julia betrachtete ihn zweifelnd. „Ich wünschte, ich könnte dir glauben. Trotz allem. Es ist kein angenehmer Gedanke, im Hause eines Onkels zu schlafen, der einem nach dem Leben trachtet..."
    „Mein liebes Kind. Es gibt so etwas wie ein Alibi. Ich war die ganze Zeit hier unten. Ich habe den kleinen Salon nur ein einziges Mal kurz verlassen, um nach draußen zu blicken. Dabei sah ich die Sachen des Fremden und nahm sie an mich."
    „Wie steht es mit Conway und Burgos?"
    „Sie waren auch stets im Salon — nein, halt! Conway war für einige Zeit verschwunden. Er behauptete, einen Schrei gehört zu haben und ging nach draußen. Ich weiß, daß er nicht hier im Raum war, denn ich holte für Burgos und Gladys die Gläser, und das Zimmer war leer."
    „Conway ist harmlos", sagte Julia.
    „Willst du dir die Sachen ansehen, die der Fremde hier lassen mußte?"
    Plötzlich ging das Licht aus.
    „Himmel!" flüsterte Julia. „Was hat das zu bedeuten?"
    „Sicher wieder eine Leitungsstörung", sagte Carter. Seiner Stimme war anzumerken, daß er plötzlich Furcht empfand.
    „Wo ist der Sicherungskasten?"
    „Im Keller."
    Julias Stimme überschlug sich. „Dann geh doch schon los und sorge dafür, daß wieder Licht wird! Diese Dunkelheit macht mich verrückt."
    Carter tastete sich durch das Zimmer. „Erst will ich die Pistole an mich nehmen."
    „Hast du sie?"
    „Ja, auch die Taschenlampe."
    Der Lichtkegel flammte auf und huschte durch den Raum. Einen Moment streifte er Julias wachsbleiches, schreckensstarres Gesicht, dann glitt er zu der weißlackierten Tür, die zur Halle führte. Im grellen Rund des Lichtstrahls sahen sie, wie sich die Türklinke bewegte. Sie ging langsam, unendlich langsam, nach unten.

    *

    Julia wollte schreien, aber die Kehle war ihr wie zugeschnürt, und sie brachte keinen Laut über die Lippen. Ihre Blicke saugten sich an der schwarzen Klinke fest, und sie atmete erst wieder auf, als die Klinke in die alte Position zurückglitt — langsam und weich, als würde sie von Geisterhänden geführt. Julia begriff, daß der Mensch, der auf der anderen Seite der Tür stand, den Schlüssel umgedreht hatte. Er bewegte die Klinke nur, um sich zu vergewissern, daß die Tür nun tatsächlich geschlossen war. Offenbar ging es ihm darum, die Anwesenden für einen Augenblick hier im Zimmer festzuhalten. Auch Jonathan Carter begriff das. Er fühlte sich in seinem eigenen Haus bedroht, und da er ein Mann war und zudem eine Pistole hatte, reagierte er auf den unheimlichen Vorgang mit der kalten Empörung eines Menschen, der es nicht gewohnt ist, von anderen Befehle oder Demütigungen entgegen zu nehmen.
    Er hob plötzlich den Arm, zielte auf das Schloß und drückte ab. Der Schuß verfehlte das Ziel und durchschlug das Holz der Tür. Mitgerissen von dem Effekt, den der kurze, trockene Krach auslöste, drückte er zwei weitere Male ab. Die Kugeln zersplitterten das Holz der Türfüllung.
    „Onkel!" schrie Julia, ohne recht zu wissen, was sie ihm mit diesem Ausruf mitzuteilen versuchte. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und starrte auf die schwarzen, ausgefransten Löcher, die wie mit magischen Kräften auf das blanke Weiß des Holzes gezaubert wurden. Sie erwartete, den schweren Fall eines getroffenen menschlichen Körpers zu hören, aber draußen blieb alles ruhig. Jonathan Carter hastete auf die Tür zu, die den großen Raum mit dem kleinen Salon verband. Er stolperte dabei über einen Teppich und kam zu Fall. Fluchend rappelte er sich wieder auf und verschwand nebenan, um zu versuchen, die Halle von dort aus zu erreichen. Aber auch diese Tür war abgeschlossen.
    Julia hörte, wie der Onkel mit ungestümer Kraft und blindwütigem Zorn an der Tür rüttelte. Dann schien er sich plötzlich des Telefons zu erinnern. Jedenfalls kam er zurück und trat an den Apparat. Als er den Hörer von der Gabel hob und die Nummer der Polizei wählte, sagte Julia: „Hast du vergessen, was du vorhin sagtest?"
    Er zögerte, dann legte er den Hörer zurück. „Du hast recht", erwiderte er. „Erst wollen wir sehen, was der Bursche von uns will. Ich kann es mir denken. Dem geht es gar nicht um uns. Der ist aus einem ganz anderen Grund gekommen."
    „Aus welchem Grund?" flüsterte Julia.
    Carter erwiderte nichts. Er tastete sich zu einem der Fenster, leierte den Laden auf,

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