Kommissar Morry - Der Tod war schneller
Wäsche.
„Dafür habe ich nun meine vielen Nächte geopfert", jammerte Jebb Mackolin verzweifelt. „Hätten Sie uns wenigstens noch einen Tag zum Feiern gelassen, Kommissar. Was soll Kate von mir denken? Ich habe ihr gesagt, daß ich wieder in einem Milchladen aushelfe. Und nun wird sie morgen die bittere Nachricht hören, daß ich wieder mal im Knast sitze."
„Tut mir leid, Mackolin. Aber trösten Sie sich. Ihre Kate ist das ja schon gewohnt. Sie hat sich damit abgefunden, daß sie die halbe Zeit ihres Lebens allein ist."
Hinter dem Kommissar erschienen plötzlich zwei bullige Konstabler, die sich liebenswürdig Jebb Mackolins und seiner Freunde annahmen. Sie verpaßten ihnen drei wundervolle Nickelspangen und geleiteten sie freundschaftlich zur Tür.
„Wie ist es mit Ihnen, Mister Banim?" fragte Morry auf einmal laut in die Stille des Zimmers hinein. „Worauf warten Sie noch?"
„Auf meine Verhaftung", gestand Lucius Banim mit klappernden Zähnen. „Jetzt bin ich an der Reihe, nicht wahr?"
„Vollkommen richtig", lobte der Kommissar. „Ich sehe, daß wir uns verstehen, Mister Banim! Kommen Sie mit! Sie sollen die schönste Zelle erhalten, die wir im Old Bailey überhaupt zur Verfügung haben."
24
Bereits in aller Frühe des nächsten Tages waren Kommissar Morry und Wachtmeister Potter schon wieder unterwegs. Sie trugen die Bilder aller Abteilungsleiter und Angestellten der Central Common Bank bei sich. Diese Photos sollten dazu dienen, einem schurkischen Mörder endlich die Maske vom Gesicht zu reißen. Um acht Uhr läutete der Kommissar an der Wohnungstür des Rentners Thomas Bernet. Der Alte war bereits angekleidet und frisiert und blinzelte den beiden Beamten freundlich entgegen.
„Kommen Sie nur, meine Herren", murmelte er. „Immer herein in die gute Stube."
„Wir sind gekommen", sagte Morry, „um Ihnen einige Bilder vorzulegen, Mister Bernet! Sehen Sie sich die Photos ganz genau an. Sie sind auf der Rückseite alle mit einer Nummer versehen. Später sollen Sie uns sagen, ob Sie den Mann herausgefunden haben, den Sie damals in der Mordnacht aus der Wohnung Mary Dixons kommen sahen. Lassen Sie sich ruhig Zeit!"
Thomas Bernet setzte seine Brille auf und nahm sich dann die Photos vor. Er betrachtete jedes Bild eingehend und gewissenhaft. Eines nach dem ändern legte er zur Seite. Dann stutzte er plötzlich. Seine Augen weiteten sich. Unschlüssig drehte er das Bild hin und her. Er hielt es weit von seinen Augen ab. Dann führte er es wieder ganz nah heran. Schließlich las er von der Rückseite eine Zahl ab.
„Nummer 14", sagte er. „Das ist er."
„Täuschen Sie sich auch nicht, Mister Bernet?"
„Nein. Gewiß nicht."
„Schade, daß Cedrick Globe und Clement Rochester nicht mehr zu unserer Verfügung stehen", murmelte Morry achselzuckend. „Aber Mrs. Henley könnte uns vielleicht helfen. Sie sagten doch, daß diese Frau damals auch mit unten am Hauseingang stand."
„Ja, Sir! Sie war dabei."
„Soll ich sie holen?" fragte die alte Mrs. Bernet hilfsbereit.
„Ja bitte, tun Sie das. Aber sagen Sie ihr nichts von dem, was sie hier erwartet."
Fünf Minuten später etwa erschien Mrs. Henley in dem kleinen Wohnzimmer. Auch ihr wurde genau erklärt, worum es ging. Ein ganzer Stoß von Photos war vor ihr aufgeschichtet.
„Bitte, lassen Sie sich Zeit, Mrs. Henley! Sehen Sie sich jedes Bild ganz genau an. Später sollen Sie uns sagen, ob Sie den Mann herausgefunden haben, der seinerzeit aus der Wohnung Mary Dixons kam. Sie wissen schon, welchen Herrn ich meine."
Mrs. Henley hatte sofort begriffen. Sie war flink und außerordentlich geschickt in ihren Bewegungen. Der hohe Stoß der Photos nahm rasch ab. Bild um Bild legte sie zur Seite. Immer wieder schüttelte sie den Kopf. Schließlich hielt sie das letzte Photo in der Hand. Auch dieses legte sie achtlos zu den anderen.
„Nanu?" fragte der Kommissar enttäuscht. „War er nicht dabei? Haben Sie ihn nicht gefunden?"
„Doch", sagte Mrs. Henley in unerschütterlicher Ruhe. „Natürlich habe ich ihn sofort wiedererkannt. Nummer vierzehn. Das ist er doch. Oder nicht?"
Morry sah Potter triumphierend an.
„Gehen Sie rasch zur nächsten Telephonzelle", raunte er. „Rufen Sie den ersten Direktor der Central Common Bank, Mister Stephan Gordon an. Sagen Sie ihm, daß wir den Mörder gefunden haben."
25
„Was hast du, Dad?" fragte Lana Gordon, als sie abends zu ihren Vater an den Kamin trat. „Du bist so ernst. Hast du dich in
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