Kommissar Morry - Dunkle Maechte
tun dürfen“, stieß unwillig James Webb aus.
Der Polizeiarzt, der gerade das Haus betrat, sagte: „Bitte, meine Herren, führen Sie mich zu dem Toten.“
„Kommen Sie, Doc“, schaltete sich der Bürgermeister ein, „ich werde Sie führen.“
Als Morry an der Seite Inspektor Webbs das Zimmer betrat, in dem der Tote lag, blickte ihn der Arzt unwillig an. „Was haben Sie denn hier zu suchen, mein Herr, ich bin befremdet.“
„Das ist nicht nötig“, entgegnete freundlich Kommissar Morry. „Ich bin Kriminalreporter und aus diesem Grunde bin ich berechtigt, hier zu weilen. Inspektor Webb wird Ihnen dieses bestätigen.“
„Die Sache geht in Ordnung“, entgegnete James Webb kopfnickend, „doch nun an die Arbeit, Doc. Ich bitte Sie, den Toten genauestens zu untersuchen.“
„Warum denn das?“ fragte der Arzt zurück, „ich sehe doch mit einem Blick, was passiert ist.“ Diensteifrig beugte er sich dann aber über den Toten und erklärte nach einer Weile mit fester Stimme: „Der Mann hat sich erhängt . . . schätzungsweise ist der Tod um Mitternacht eingetreten . . .“
Langsam war Morry näher getreten. Seinen scharfen Augen entging nichts, und so bemerkte er, daß das Kinn blutunterlaufen war . . . wie nach einem schweren Aufprall. Er machte den Polizeiarzt darauf aufmerksam.
„Das habe ich schon gesehen“, entgegnete dieser unwillig, „er scheint hingefallen zu sein, das werde ich noch genau feststellen.“
Da schaltete sich Jack Burke ein. „Als ich John vom Fensterkreuz abhob, ist er meinen Händen entglitten.“
Morry hatte sich wortlos abgewandt und das Zimmer verlassen. Sofort wandte sich der Arzt an Inspektor Webb und sagte im mißbilligenden Ton: „Ich verstehe Sie nicht, Inspektor, daß Sie es dulden, daß dieser Mister Holger hier überall seine Nase hineinstecken darf.“
„Ich bitte Sie“, lächelte Webb gequält, „mich stört es nicht, wenn er hier ein wenig herumschnüffelt.“
Die Männer mußten ihr Gespräch unterbrechen, da Morry wieder den Raum betrat. Mit einem verbindlichen Lächeln wandte sich der Kommissar dem Bürgermeister zu und fragte: „Ich habe die Absicht, einige Tage in Lindley zu bleiben. Wissen Sie, ob ich hier im Gasthaus ein Zimmer bekommen kann?“
„Sie haben es nicht nötig, im Gasthaus abzusteigen“, rief abwehrend der Bürgermeister aus, „Sie sind mein Gast, verstanden!“
„Ich nehme dankend an“, entgegnete Morry, indem er sich leicht verneigte. „Sie sind sehr liebenswürdig.“
„Hier sind Sie wirklich gut aufgehoben“, schaltete sich James Webb ein, „Sie werden es nicht zu bereuen haben.“
*
Kommissar Morry saß Jack Burke gegenüber. „Gott sei Dank, mein lieber Mister Holger“, ließ sich der Bürgermeister vernehmen, „daß wir endlich unsere Ruhe haben und alle Formalitäten erledigt sind. Ja“, seufzte er auf, „das Schicksal war stärker als wir, nun haben wir John doch nicht retten können.“
Gedankenverloren starrte Morry auf das Tischtuch. „Ich möchte nur wissen“, meinte er, „wer dem Inspektor den Wink gegeben hat, daß John Withman sich hier im Haus verborgen hielt. Nur wenige Menschen haben davon gewußt. . .“
„Der Inspektor hat von einem anonymen Brief gesprochen“, entgegnete der Bürgermeister verärgert. „Ganz klug bin ich aus seiner Erzählung nicht geworden, aber ich erkläre mir die Sache einfach so, daß man uns beobachtet hat.“
Morry hatte gerade die Absicht gehabt, sich zurückzuziehen, als die Telefonanlage schrillte. Da erklang auch schon die Stimme der jungen Magd: „Mister Holger, Sie werden verlangt!“ Befremdet blickte der Bürgermeister seinen Gast an, der sich sofort erhob und zum Telefon eilte. , Das junge Mädchen hielt ihm den Hörer entgegen und flüsterte mit geheimnisvoller Stimme: „Inspektor Webb möchte Sie sprechen!“
Morry meldete sich und lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit den Worten des Inspektors, die ihm förmlich das Blut durch die Adern jagten. „Donnerwetter“, rief er überrascht aus, „ich komme sofort, Inspektor Webb, in spätestens einer halben Stunde bin ich bei Ihnen.“
Als sich Morry seinen Mantel überzog, fragte ihn Jack Burke verständnislos: „Nanu, wo brennt es denn, Mister Holger?!“
„Inspektor Webb möchte mich dringend sprechen“, erklärte Morry.
„Darf ich Sie zum Mittagessen erwarten, Mister Holger?“ fragte der Bürgermeister höflich.
„Das werde ich wohl nicht schaffen“, entschuldigte sich Kommissar
Weitere Kostenlose Bücher