Kommissar Pascha
vorgeschlagen, dass sie blieb. Jales unverwüstliches Selbstbewusstsein ließ darüber hinaus die Vermutung reifen, als mögliche Schwiegertochter willkommen zu sein.
Zeki hatte inzwischen eingesehen, mit seinen Spekulationen nicht weiterzukommen. Der Obduktionsbericht musste die Entscheidung herbeiführen, ob sein Sonderdezernat die Todesumstände der Bierleiche aufklären sollte oder nicht. Er sah auf die Uhr. Es waren noch dreieinhalb Stunden bis zum Sonnenuntergang; bis ihn eine Butterbreze und eine Flasche Wasser von seinen Qualen erlösen würde. Wie soll ich das nur schaffen?, fragte er sich und blickte zu Jale und Isabel. Während seine Mitarbeiterinnen auf ihn zuschritten, überkam ihn eine seiner spontanen Eingebungen. Eine jener Ideen, die er ausbrütete, wenn er meinte, unausgelastet zu sein – er beschloss, sich um den dringend notwendigen Haarschnitt zu kümmern.
»Hier gibt es nichts weiter zu tun«, eröffnete er den beiden, die erstaunt stehen blieben. Schließlich hatte Jale noch keine Gelegenheit gehabt, Informationen aus erster Hand von den Kollegen einzuholen.
»Kann ich …«, setzte sie an und bekam eine von Zekis verbalen Attacken zu spüren.
»Nein, kannst du nicht«, erwiderte der Chef auf eine Art, die der mögliche Schwiegervater niemals zugelassen hätte. Nach der klaren Feststellung wandte er sich an Isabel. »Vierkant, keine Überstunden heute. Du und ich machen jetzt Schluss. Nimm den Wagen und fahr nach Hause. Koch mal was Schönes für deinen Mann. Der wird sich sicher freuen.« An Jale gerichtet, sagte er: »Geh die Vermisstenanzeigen durch. Wenn du nichts findest, überprüfe, welche Brauereien mit einem B anfangen. Der Tote hatte einen zerbrochenen Steinkrug in der Hand. Mach am besten ein Foto. Das muss eine Bedeutung haben, egal, ob er ertrunken ist oder jemand nachgeholfen hat.«
Dann deutete er mit ausgestrecktem Zeigefinger zur Brücke. »Da oben hängt eine Überwachungskamera.«
Jale folgte mit den Augen seinem Finger. Innerlich rotierte sie.
Kaum hatte Zeki seine Anweisungen gegeben, drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand.
Seine beiden Mitarbeiterinnen sahen ihm verdutzt hinterher.
»Du hättest ihm Bescheid geben müssen …« Isabel brach mitten im Satz ab. Sie verzichtete lieber darauf, eine Erklärung für Demirbileks Verhalten zu geben.
Jales giftiger Blick durchbohrte sie. »Ach was! Ich habe doch nach ihm gesucht! Unten im Hof! Und vorne auf der Straße!«, regte sie sich auf. »Es ist ja schon schlimm genug, wenn er nicht fastet. Aber mit leerem Magen glaubt er erst recht, er sei der große Pascha und wir die Damen seines Hofstaates. Fehlt noch, dass er uns nach jeder Einsatzbesprechung einen Bauchtanz vorführen lässt.«
Mit diesen Worten stakste Jale wutschnaubend davon und ließ Isabel stehen. Die brauchte nicht lange, bis sie entschieden hatte, auf dem Viktualienmarkt Leberknödel für eine Suppe einzukaufen und dazu einen Kaiserschmarrn zu machen. Sie freute sich darauf, das Wochenende mit einem schönen Abend einzuläuten.
4
Jessica Grün streifte das Nachthemd vom Köper und begann zu duschen. Ausgiebig, erst kalt, dann heiß. Als sie anschließend im Schlafzimmerschrank nach Unterwäsche suchte, fand sie nichts Passendes und kicherte bei der Idee, die sie hatte. Aus dem Korb für schmutzige Wäsche holte sie Slip und Büstenhalter vom Vortag. Sie hatte sich erkundigt. Sie wusste, dass Hannes zur Abschlussveranstaltung gehen würde. Er hatte ihr die marineblaue Spitzenunterwäsche geschenkt. Sie lachte wie von Sinnen bei dem Gedanken, wie er es jetzt mit einer alten Schachtel trieb. Sie wusste Bescheid. Sie war ihm heimlich gefolgt und hatte beobachtet, wie er mit ihr im Nymphenburger Park spazieren ging. Hass loderte auf, als sie die beiden Hand in Hand in seinen Porsche einsteigen sah. Ekel ergriff sie bei der Vorstellung, dass er das alte Weib bevorzugte. Dass er ihre verschrumpelte, verbrauchte Haut streichelte. Der Wutschrei hallte durch das Badezimmer, er kam aus tiefstem, gebrochenem Herzen. Nachdem sie ihre Fassung wiedergewonnen hatte, durchströmte sie ein tröstender Gedanke. Sie beschloss, ihm ein letztes Mal sein Geschenk zu zeigen. Er sollte sie anfassen, sollte spüren, wie jung ihr Körper war, wie prall und voller Leben. Erneut zog sie sich aus und trat in die Duschkabine. Mit großer Sorgfalt rasierte sie sich die Beine nach und formte aus ihren Schamhaaren einen zwei Zentimeter breiten Streifen – so, wie er es
Weitere Kostenlose Bücher