Kommissar Pascha
vor der Tür ihre Hose etwas nach unten zog, damit ihr gut gebauter Hintern besser zur Geltung kam. Eine feminine Erscheinung war Jale wichtig, auch wenn sie immer gebührende Distanz zwischen sich und den Kollegen einhielt. Jales Einstellung zu Männern kannte Isabel, obwohl die beiden erst seit ein paar Wochen zusammenarbeiteten. Sie hatten sich von Anfang an gut verstanden. Isabel, die aus Niederbayern stammte und als ruhige, umsichtige Beamtin geschätzt wurde, und Jale, die in Berlin geboren war und ihr türkisches Temperament mit der Berliner Schnauze gewinnbringend zu verbinden wusste.
»Du bist die Erste, die erfährt, wenn die Leiche uns gehört. Versprochen«, witzelte Jale, bevor sie ging.
Als Isabel allein war, widmete sie sich wieder dem Bericht. Es fiel ihr schwer, niederzuschreiben, wie es dazu gekommen war, einen bosnischen Gebrauchtwagenhändler zur Strecke zu bringen. Sie suchte nach passenden Formulierungen, schob dabei gedankenverloren eine ihrer schokoladenbraunen Haarsträhnen aus dem Gesicht, als ihr auf dem Monitor etwas auffiel. In ihrer Konzentration ignorierte sie den mit schwarzen Härchen übersäten Zeigefinger. Erst durch die dazugehörige Stimme wurde ihr bewusst, nicht mehr allein im Büro zu sein.
»Sie haben ›Trauer‹ mit ›ä‹ geschrieben«, hörte sie hinter sich Sonderdezernatsleiter Demirbilek meckern.
Der Schrecken fuhr ihr durch Mark und Bein.
»Bitte machen Sie das nie wieder!«, schrie sie entsetzt auf. »Seit wann stehen Sie überhaupt hinter mir?«
»Lange genug, um festzustellen, dass der Bericht nicht fertig ist.«
»Mein Gott, haben Sie mich erschreckt!«, schrie sie ein weiteres Mal auf und bekreuzigte sich, um ihre Fassung wiederzuerlangen.
»Wo ist Jale?«, fragte er barsch. Er hatte beim Plausch mit Schneider weder die erhofften Informationen noch seine innere Unruhe in den Griff bekommen.
Isabel stutzte. Offenbar war ihre Kollegin allein zur Isar gefahren, um die Leiche in Augenschein zu nehmen. »Sie wollte Sie unten abholen. Vielleicht hat sie Sie nicht gefunden.«
»Und wo ist sie jetzt, wenn sie mich nicht gefunden hat?«
Isabel erzählte vom Anruf. Zeki verzichtete darauf, sich über Jale aufzuregen. Stattdessen holte er sein Sakko, steckte das Handy ein und griff nach dem Autoschlüssel.
»Kommen Sie«, sagte er und warf Isabel den Schlüsselbund zu. »Sie fahren.«
2
Pius Leipold, langgedienter Kriminalbeamter im Münchener Polizeipräsidium, war von Statur und Wirkung her das genaue Gegenteil seines Kollegen Zeki Demirbilek. Leicht rundlich wie ein Bierfass, trug er stets eine schäbige Lederjacke und zierte seinen einundvierzigjährigen Körper mit einem goldenen Ohrring, den er seit dem sechzehnten Lebensjahr in dem selbstgestochenen Loch trug.
Leipold hatte beschlossen, früher Schluss zu machen. Immerhin war es Freitagnachmittag, und am Wochenende hatte er keinen Dienst. Vor der Veranstaltung, die er am Abend besuchen wollte, war er mit seiner Familie in einem Eiscafé verabredet. Seine Lust, zu arbeiten, hielt sich ohnehin in Grenzen. Die zweiundvierzig offenen Fälle mussten eben warten. Wie üblich vor Dienstende schweifte sein Blick über den Schreibtisch. Er überlegte, ob er das Chaos aufräumen sollte, und vertagte das Vorhaben – wie meistens.
»Was ist? Kommt ihr zwei heute Abend jetzt mit?«, rief er seinen engsten Mitarbeitern Herkamer und Stern leicht ungehalten zu.
Die beiden saßen im Nebenraum vor einem Videosystem und durchforsteten Überwachungsaufnahmen, um den Tagesablauf einer Taschendiebin zu rekonstruieren. Mit der Lederjacke unter dem Arm gesellte sich Leipold zu ihnen, um selbst ein Auge auf die dreiste Diebin zu werfen, die unter Verdacht stand, ihren Ehemann getötet zu haben.
»Und?«, hakte er nach einer Weile nach. »Jetzt frage ich schon zum dritten Mal. Kommt ihr mit oder nicht? Ich habe keine Lust, alleine hinzugehen.«
Herkamer schaltete mit der Fernbedienung das Videogerät aus.
»Zu dem Bierfestival?«, fragte Stern nach. In seiner Stimme lag eine abschätzige Unentschlossenheit. Er blickte hinüber zu Herkamer. Der blickte genauso skeptisch drein wie sein Freund.
»Glaubst du, man muss das Bier ausspucken wie bei einer Weinverkostung?«
»Keine Ahnung«, antwortete Leipold stirnrunzelnd. Die Frage hatte er sich nicht gestellt. Aber die Vorstellung, Bier zu trinken und es nicht die Kehle hinunterlaufen zu lassen, behagte dem Bayern nicht.
»Mir wird das jetzt zu blöd. Entweder seid ihr
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