Kommissar Pascha
die Kollegin vom zentralen Materiallager und rief gleich an, um sich mit ihr am Montag zum Mittagessen zu verabreden. Wäre gelacht, wenn sie nicht bis spätestens Mittwoch alles zusammenhätte, dachte sie und sah nervös auf die Uhr. Es war noch Zeit für den
kahve.
Sie würde in die Kantine gehen. Dort hielt der Küchenchef für den türkischen Mitarbeiter Kaffeekännchen und Tassen bereit. Sie wusste Bescheid im Präsidium. Deshalb wird er dich nehmen, peitschte sie sich in bescheidenem Maße auf. Doch der Druck ließ nicht nach. Im Gegenteil, sie spürte das Bedürfnis, auf die Toilette zu gehen. Sie hängte sich ihre Tasche über die Schulter und verließ das Büro.
Jale Cengiz klopfte an die Tür des Sonderdezernats. Als niemand antwortete, öffnete sie sie und streckte ihren Kopf in das Zimmer. Sie wunderte sich, dass niemand im Büro war. Einige Mal hatte sie sich vorgestellt, wie es sein würde, ihrem neuen Chef zu begegnen. Sie hatte gehört, dass er bei aller bayerischen Fassade durch und durch Türke geblieben sei. Sie war überzeugt davon, mit dem dunklen Hosenanzug einen guten Eindruck zu machen.
Die Enttäuschung, sich vor offiziellem Arbeitsbeginn nicht vorstellen zu können, hielt nicht lange an. Das Telefon läutete. Cengiz spürte sofort ein Kribbeln in sich aufsteigen. Das Schicksal meint es gut mit dir, freute sie sich. Ohne zu zögern, marschierte sie in den Nebenraum und nahm den Anruf entgegen.
»Sie sprechen mit dem Sonderdezernat Migra. Jale Cengiz am Apparat. Was kann ich für Sie tun?«, intonierte die Zweiundzwanzigjährige, als würde sie mit Headset bei irgendeiner Hotline sitzen. Sie lauschte dem Anrufer, plazierte das Hinterteil auf den Schreibtisch, nahm einen dort liegenden Zettel und machte mit ihrem goldverzierten Füllfederhalter Notizen.
Vierkant kam von der Toilette zurück und wunderte sich über die junge Frau, die vor Selbstbewusstsein nur so strotzte, gerade das Telefonat beendete und sie ansah, als wäre sie taubstumm.
»Es war niemand da, da bin ich einfach rangegangen. War doch okay, oder?«, fragte die junge Frau mit den kurzen schwarzen Haaren.
Vierkant reichte ihr die Hand und konnte ein Schaudern nicht unterdrücken.
»Was ist?«, fragte Cengiz die Schwarzhaarige irritiert.
»Ach … ich war heute beim Friseur und wollte mir die Haare so kurz schneiden lassen, wie du sie hast.«
»Gut, dass du es nicht gemacht hast. Hätte dir nicht gestanden.«
Sie lächelten sich an. Beide freuten sich über die Ehrlichkeit der anderen. Ein guter Einstieg, sich kennenzulernen, fanden die zwei Frauen, ohne es auszusprechen.
»Ich war nur kurz auf dem Klo. Servus, ich bin Isabel Vierkant. Du bist bestimmt die aus Berlin?«
»Genau, Jale Cengiz«, bestätigte sie. »Ich bin heute schon angereist, um mich um eine Wohnung zu kümmern. Hab’s nicht mehr ausgehalten und wollte einfach mal hallo sagen.«
»Schön«, erwiderte Vierkant.
»Und wo ist der Chef? Der legendäre Türke, der angeblich sturer ist als jeder bayerische Dickschädel?«, fragte Cengiz.
»Keine Ahnung. Er könnte aber in der Moschee sein, heute ist Freitag«, antwortete Vierkant wie selbstverständlich.
»Während der Dienstzeit?«
»Der ist keiner, der da groß nachfragt, ob er das darf … Wer war das denn am Telefon?«
»Ein Pius Leipold …
Pius
geht nur in Bayern«, scherzte Cengiz.
Vierkant verstand den Witz nicht und fragte ungeduldig weiter. »Und, was wollte der?«
»Er hätte was für uns, eine Leiche.«
»Ausländisch?«
»Türkisch sogar.«
Wenn die Arbeit jetzt losgeht, dann wird der Kommissar kaum Zeit haben, weitere Bewerber in Betracht zu ziehen, spekulierte Vierkant und ließ Cengiz keine Zeit, zu reagieren. Spontan fiel sie ihr um den Hals und gab ihr einen Schmatz auf die Wange.
»Unser erster Fall! Halt du hier die Stellung, und ich hole den Chef.« Dann schnappte sie ihr Handy aus der Umhängetasche und wählte beim Hinausgehen seine Nummer.
Cengiz blieb zurück und schüttelte amüsiert den Kopf über ihre merkwürdige, aber sympathische Kollegin. Sie zog einen Schminkspiegel aus der Handtasche und wischte sorgfältig mit Spucke und Papiertaschentuch Vierkants Lippenstiftspuren weg. Anschließend wanderte ihr Blick durch die beiden Räume. »Da haben wir ja viel zu tun!
Haydi,
Jale,
haydi
«, motivierte sie sich laut. Dann öffnete sie das Fenster, um frische Luft hereinzulassen.
[home]
10
Z eki Demirbilek hatte sich nach dem Abstecher in den Park wieder
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