Kommissar Pascha
gekrümmter Rücken.
»Die doktern immer noch an der Leiche herum. Dabei ist der doch schon tot. Immer dasselbe, Herr Kommissar!«, erwiderte der Polizeimeister mit einem müden Lächeln. »Wann kommen Sie denn mal zum Schafkopfen vorbei? Ich bringe es Ihnen bei! Hab ich doch versprochen!«
Demirbilek lachte. »Nichts für ungut, Sepp. Gegen dich habe ich keine Chance. Du hast bestimmt schon mit vier damit angefangen! Ich bleib lieber bei
tavla.
«
»Des Türkenschach, meinen Sie das?«, fragte Freilinger provozierend.
Demirbilek nickte mit einem Lächeln und blickte zum Leichenwagen. Sein Gesicht verfinsterte sich.
»Hey«, schrie er den Männern zu, die im Begriff waren, die Leiche wegzutransportieren. »Wartet! Ich möchte mir den Toten ansehen!«
Doch die Kollegen wollten oder konnten ihn nicht verstehen. Ohne ihre Arbeit zu unterbrechen, trugen sie den Leichensack zum Bestattungswagen. Vor der geöffneten Ladeklappe wartete ein Kriminalbeamter mit einer Waffel Eis in der Hand.
Demirbilek beschleunigte seinen Schritt. Vierkant trabte neben ihm her. Sie verfluchte ihren Büstenhalter, der modisch zum Bewerbungsoutfit passte, aber zum Laufen völlig ungeeignet war. Demirbilek bemerkte aus den Augenwinkeln ihre auf und ab wippenden Brüste. Der erotische Reiz hielt sich allerdings in Grenzen. Vierkant versuchte, sich die Peinlichkeit nicht anmerken zu lassen. Doch Schamesröte überflutete erbarmungslos ihr Gesicht.
»Besorgen Sie dem Freilinger einen Klappstuhl oder so was. Am besten aus dem Haus der Kunst. Bei den Wächtern«, instruierte Demirbilek sie.
»Aber …«, entgegnete Vierkant enttäuscht. »Brauchen Sie mich nicht bei der Leiche?«
»Besorgen Sie einen Stuhl«, wiederholte er und lief weiter. Vierkant blieb stehen und sah sich verschämt um, bevor sie ihren Büstenhalter zurechtrückte.
Der Kollege mit der Eiswaffel stellte sich stur. Der leitende Ermittler Pius Leipold habe den Abtransport angeordnet, meinte er kategorisch, also habe es seine Richtigkeit, dass die Leiche zur Rechtsmedizin gefahren werde, und zwar jetzt. Er wisse ganz genau, wie man eine Anordnung zu befolgen habe.
Demirbilek hörte uninteressiert zu und sagte ohne Gefühlsregung: »Seit fünfunddreißig Minuten leite ich die Ermittlungen in der Mordsache.«
»Aha, ein Mordfall also. Das wissen Sie jetzt schon?«, staunte der Kollege und schlang den Rest der Waffel herunter. »Und wer sind Sie, dass Sie Mordfälle aufklären? Kann ich Ihren Dienstausweis sehen?«
Nachdem Demirbilek den Leichenbestattern ein Zeichen gab, die Bahre abzusetzen, streckte er seinen Ausweis vor. Der Kollege überflog mit hochgezogenen Augenbrauen das Dokument. Der Eintrag »Istanbul« bei Geburtsort fiel ihm besonders auf. Demirbilek steckte den Ausweis zurück in sein Sakko und holte eines der drei Taschentücher hervor, um den Schweiß im Nacken abzutupfen. Dann bat er die beiden Bestatter um etwas Geduld.
»Schön und gut, Herr Kommissar, aber woher soll ich wissen, dass Sie tatsächlich mit den Ermittlungen betraut sind?«
»Weil ich es Ihnen sage, Herr …?«
»Bremser, Kurt …«
Demirbilek unterbrach ihn und ließ sich im Gegenzug seinen Dienstausweis zeigen. Er begutachtete ihn eingehend, bevor er den Ausweis mit einem 20 -Euro-Schein wieder aushändigte.
»Damit gehen Sie mit den beiden Bestattern ins Café und trinken eine Apfelschorle oder was immer Sie wollen. Denken Sie an einen ordentlichen Bewirtungsbeleg und das Restgeld. Ich brauche eine halbe Stunde alleine mit der Leiche und dem Fundort.«
Echauffiert über das Angebot, suchte Bremser nach Worten und fand sie schließlich. »Wir sind hier nicht auf einem türkischen Basar! Das sind ja Methoden wie im tiefsten Anatolien!«
»Waren Sie da schon?«, entgegnete Demirbilek, ohne seinen aufkommenden Unmut zu zeigen. »Soll ja recht schön sein, landschaftlich gar nicht so viel anders als Oberbayern. Ich jedenfalls war noch nicht dort und habe keine Ahnung, wie in Anatolien polizeiliche Ermittlungen geführt werden. Hier in München aber weiß ich Bescheid! So. Jetzt folgen Sie meiner Anordnung, sonst leite ich ein Disziplinarverfahren gegen Sie ein, Kollege Bremser, Kurt!«
»Aber das geht so nicht! Das muss doch seine Ordnung haben! Sie können nicht einfach daherkommen und sagen, dass Sie das jetzt machen, was der Leipold vorher gemacht hat. Ich meine, die Ermittlung leiten«, entgegnete Bremser aufgeregt und wischte mit dem Handrücken Schweißperlen vom Gesicht.
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