Kommissar Steen 01 - Unruhe
ab.
»Igitt, echt widerlich«, war der einzige Kommentar seines Kollegen. Nach einiger Zeit kam eine Krankenschwester vom Sozialdienst und übernahm. Es war nicht das erste Mal, dass man sie zu dieser Adresse gerufen hatte.
»Die ältere Tochter ist im Kindergarten. Und die Eltern … tja … wenn ihr Glück habt, findet ihr sie in der Kaschemme gegenüber. Da ist ihre Tränke.«
»Aber was um alles in der Welt macht das Mädchen dann hier?«, hatte Axel gefragt.
»Normalerweise kümmern sie sich schon um sie, wenigstens einigermaßen. So schlimm wie diesmal ist es selten. Es braucht schon ein bisschen mehr für einen Sorgerechtsentzug als Eltern, die trinken.«
»Das kann doch wohl nicht wahr sein. Das Mädchen geht hier vor die Hunde. Sie hätte genauso gut ersticken können. Und sie wurde geschlagen. Was muss denn noch alles passieren, bis ihr etwas tut?«
Sein Kollege war bereits wieder draußen auf der Treppe. Auf dem Weg nach unten sagte er, Axel müsse lernen, lockerer zu werden und sich um die Dinge zu kümmern, die man ändern könne. Den Rest müsse er hinter sich lassen.
Sie waren direkt ins Café Nørrehus gegangen, wie die Kneipe auf der anderen Straßenseite hieß. Axel hatte den Mann hinter der Theke nach Svenne und Lissi gefragt, dann war er zu ihrem Tisch gegangen und hatte das Bierglas gepackt, das Svenne, ein Alk-Typ Mitte zwanzig mit halblangen Haaren, gerade ansetzte, und ihn gezwungen, es auf den Tisch zu stellen. Lissi hockte sturzbetrunken neben ihm. Axel verspürte den Drang, ihr einen handfesten Weckruf zu versetzen.
Sein Kollege hatte übernommen.
»So, Svenny-Boy, die Party ist vorbei. Der Schlüsseldienst hat uns gerade Zugang zu deiner Wohnung verschafft, weil dein Baby kurz davor war, an seiner eigenen Kotze zu ersticken. Ich hoffe bei Gott, dass man es euch Dreckschweinen wegnimmt, aber leider kann ich das nicht entscheiden. Aber jetzt nimmstdu dein charmantes Eheweib, gehst nach Hause und siehst zu, dass ihr nüchtern werdet. Und dann kümmert ihr euch verdammt noch mal um die Kinder, die ihr in die Welt gesetzt habt, ist das klar?«
Svenne sah mit gleichgültigem Blick zu ihm auf. »Aach, das verfluchte Balg, hat es wieder rumgeschrien? Sollte doch bis Mittag schlafen.«
Das Mädchen war in ein Krankenhaus gebracht worden, wo man es bis zum nächsten Tag behielt. Die Untersuchungen, die man vornahm, konnten nicht mit Sicherheit beweisen, dass die blauen Flecken am Rücken des Kindes von Schlägen herrührten, aber es konnte auch nicht ausgeschlossen werden.
Damals hatte er sich die Worte seines Kollegen eingeprägt: Kümmere dich um die Dinge, die du ändern kannst, und lass den Rest hinter dir.
Am Abend war er auf dem Weg nach Hause in der Griffenfeldsgade vorbeigefahren, hatte bei einem anderen Hausbewohner geklingelt und sich unter dem Vorwand, er habe einen Brief abzugeben, Zutritt verschafft. Als Svenne die Tür öffnete, brachte er kein Wort heraus, denn Axel packte ihn an der Kehle, drängte ihn in die Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu.
Er zog seine Pistole und hielt sie einen kurzen Moment vor Svennes panisch stierende Augen, um sicher zu sein, dass dieser sie auch sah und begriff, was vor sich ging. Dann hielt er sie an dessen Schläfe.
»Wo ist deine Frau?«, zischte er.
»Sie schläft«, stammelte Svenne.
»Gut für sie. Ich habe nämlich große Lust, dich fertig zu machen, und zwar hier und jetzt, weil du ein Schwein bist, das sich nicht um seine Kinder kümmert. Ich habe wirklich richtig Lust dazu, und ich glaube, ich tue es, und zwar jetzt.«
Klick.
Svenne machte sich in die Hose, er zitterte, was Axel erfreut zur Kenntnis nahm.
»Hör zu: Wenn du das Baby jemals wieder alleine in der Wohnung lässt, wenn du es jemals wieder schlägst, denn ich weiß, dass du sie geschlagen hast …«
»Ich habe sie nicht …«
»Halt die Schnauze, du Drecksau. Ich habe die blauen Flecken gesehen. Wenn du sie jemals wieder schlägst oder sie alleine lässt oder scheißvoll bist, wenn du auf sie aufpassen sollst, dann erfahre ich das. Und wenn ich es erfahre, dann komme ich und regele das. Hast du das kapiert? Ich komme hierher und bringe dich und deine stinkbesoffene Frau um, dann könnt ihr euch nie wieder an den Kindern vergreifen, ist das klar? Ich puste dir dein Gehirn raus.«
Axel hatte an diesem Tag ein paar Dinge verstanden. Es war das letzte Mal gewesen, dass er auf den Schlüsseldienst gewartet hatte. Es war das letzte Mal gewesen, dass er auf
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