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Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Titel: Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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den Rücken, doch sie weinte nur umso heftiger. Er schwirrte um sie herum, wusste nicht, wohin mit seinen Armen, legte eine Hand vorsichtig um ihre Taille, die andere auf ihren Kopf und zog sie zu sich hin, bis er sie irgendwie in seinen Armen hielt. Er spürte ihre Tränen an seinem Hals, aber das Schütteln ließ nach, und ihr Atem ging regelmäßiger, als er sie wiegte. Er staunte darüber, wie leicht sie sich ihm anpasste, wie warm und klein sich ihr Körper anfühlte.
    «Wann habe ich dich kennen gelernt?», fragte er ruhig.
    «Es ist fast zehn Jahre her.»
    «Du warst erst einundzwanzig.»
    «Ja. Und du sechsundzwanzig.»
    «Was mochtest du an mir? Am Anfang, meine ich.»
    Anna wich zurück und sah überrascht zu ihm auf. «Du warst … bist …» Sie stockte. «Keiner war wie du.»
    Fast hätte Samson gefragt, was er an ihr gemocht habe, aber ihm wurde bewusst, wie das klingen würde, also ließ er es bleiben.
    «War ich gut im Bett?»
    Über diese Frage war er selbst mindestens so überrascht wie Anna. Sie setzte ein komisches Lächeln auf und hob das Kinn. Aus dieser Nähe betrachtet verlor ihr Gesicht jede Schärfe; ihr Mund war warm und schmeckte nach Orangen.
     
    Samson lag noch eine Weile im Bett, nachdem Anna arbeiten gegangen war. In der vergangenen Nacht hatten sie zum dritten Mal miteinander geschlafen, und gleich nachdem es vorbei gewesen war, war ihm eine Eiseskälte in die Glieder geschossen, und er hatte im Dunkeln nach seiner Unterwäsche und dem T-Shirt gekramt. Am liebsten hätte er rings um sich eine Grenze gezogen, sich in seiner Kränkung eingeigelt, damit die Frau, die ihn eben noch vor Lust hatte stöhnen lassen, sie nicht spürte. Sie hatte still und schmal in der Dunkelheit gelegen, aber nachdem eine halbe Stunde wortlos vergangen war, hatte er sich nicht davon abhalten können, sie erneut anzufassen, indem er sich mit den Fingern behutsam über ihren Bauch und hinauf zur Schwellung ihrer Brüste tastete, den straffen, gewölbten Körper unter seiner Hand fühlte.
    Er stieg aus dem Bett, um ins Bad zu gehen. Er roch sie noch auf seiner Haut. Der Dunst ihrer Dusche hing in der Luft, hatte den Spiegel beschlagen lassen. Mit dem Finger schrieb er seinen Namen darauf, dann wischte er ihn weg. Sein Gesicht gewann langsam an Gestalt, die verschiedenen Züge fügten sich zu einem erkennbaren Ganzen, das ihn nicht mehr störte, wenn er es in Fensterscheiben oder Spiegeln vorbeiziehen sah. Um den roten Wulst des Narbengewebes begann Haar zu wachsen.
    Er öffnete den Kleiderschrank und befühlte die säuberlich an Haken aufgehängten Seidenkrawatten, die gebügelten Leinenhemden, die Hosen aus feiner Wolle. Er entschied sich für einen grauen Anzug und eine gelb gemusterte Krawatte mit kleinen Vogelmotiven. Es bedurfte einiger Versuche, aber schließlich brachte er einen unbeholfenen Knoten zustande. Er hatte das verlorene Gewicht wieder zugesetzt und die Sachen passten wie angegossen; trotzdem fühlte er sich unwohl, ein Hochstapler. Er beschloss, sich so bald wie möglich neue Kleidung zu kaufen. Er setzte die Las-Vegas-Baseballkappe auf, die Anna ihm ins Krankenhaus mitgebracht hatte. Die Narbe war hässlich, getackert wie Eisenbahnschienen.
    Anna hatte die Zeitung auf der Anrichte liegen gelassen. Er blätterte sie durch. Ein Artikel über das Klonen fiel ihm ins Auge, und er las ihn fasziniert von Anfang bis Ende. Sie hatten ein Schaf geklont, jetzt gab es zwei davon, und es stellte sich die Frage: Würden sie bald in der Lage sein, Menschen zu klonen?
    Das Geschirr vom Abendessen stand noch auf dem Küchentisch, ebenso wenig abgeräumt wie das Fotoalbum, das Anna nach dem Dessert geholt hatte. Es war bei derselben Seite aufgeschlagen, die sie sich abends angesehen hatten – Fotos von ihrer Hochzeitsreise nach Rio fünf Jahre zuvor –, als Samson plötzlich aufgestanden war.
    «Wo gehst du hin?», hatte Anna gefragt.
    «Ein Stück spazieren.»
    «Ist alles in Ordnung? Soll ich mitkommen?»
    «Ich muss nur etwas an die Luft», hatte er gesagt.
    Anna nickte. «Nimm den Hund mit.» An der Tür lief Frank schon aufgeregt im Kreis. Samson wusste, sie hatte das gesagt, weil sie fürchtete, er könne sich verlaufen oder überfallen werden.
    Er ging nicht weit; nur um den Block, eine Runde nach der anderen, so oft, dass sogar Frank sich zu langweilen begann. Die Bilder – blendende Strandaufnahmen, ein ums andere Mal sie beide eng umschlungen – gingen ihm nicht aus dem Sinn. Als er an einer

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