Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik
empfangen.«
Der Oberst war Otto Munthe-Kaas, der norwegische Militärattache. Er war uns günstig gesinnt und gerne bereit, uns ein passendes Empfehlungsschreiben mitzugeben, als er hörte, worum es ging.
Als wir am nächsten Morgen uns den Brief abholen kamen, stand er plötzlich auf und meinte, am besten ginge er gleich selbst mit. In seinem
Auto fuhren wir hinaus zum Pentagon-Gebäude, dem größten Block der Welt, in dem das Kriegsdepartment seine Verwaltungsräume hat. Vorne saßen der Oberst und Björn in voller militärischer Gala, und dahinter saßen Hermann und ich. Wir sahen durch die Scheibe auf das mächtige Pentagonhaus, das vor uns aus dem Boden zu gigantischer Höhe emporschoß. Dieser Riesenbau mit dreißigtausend Angestellten und über fünfundzwanzig Kilometern Korridoren sollte den Rahmen für unsere bevorstehende Floßkonferenz mit den Militarchefs abgeben. Ich mußte mich selbst an der Nase zupfen. Niemals vorher noch nachher war mir und Hermann das winzige Floß so rettungslos nichtig erschienen. Nach endlosen Wanderungen in Korridoren und Seitenkorridoren kamen wir an die Tür der »Auswärtigen Abteilung«, und bald saßen wir, umgeben von glänzenden Uniformen, rund um einen großen Mahagonitisch, an dem der Abteilungschef selbst präsidierte.
Der wohlgebaute und kurz angebundene Offizier, dem man die Militärakademie Westpoint von weitem ansah, hatte zuerst gewisse Schwierigkeiten, den Zusammenhang zwischen dem Kriegsdepartment der USA und unserem Floß richtig zu begreifen, aber die wohlgesetzten Worte unseres Obersten und der günstige Ausfall der Erkundigen der Offiziere rund um uns (die sich wie ein Sturzbach über mich ergossen) brachten ihn langsam auf unsere Seite, und so las er mit wachsendem Interesse den Brief von der Versuchsstation der Luftwaffe. Dann erhob er sich, gab seinem Stab freie Hand, uns durch die richtigen Kanäle Hilfe zukommen zu lassen, und verließ, indem er uns für den weiteren Verlauf Glück wünschte, gewichtigen Schrittes den Raum.
Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, raunte mir ein junger Stabskapitän ins Ohr:
»Ich möchte schwören, Sie kriegen alles, was Sie wollen. Ein bißchen erinnert es doch an eine kleine militärische Operation. Sie glauben nicht, wie wir uns in dem täglichen Bürobetrieb seit dem Frieden nach einer kleinen Abwechslung sehnen! Und außerdem ist es ja wirklich eine prima Gelegenheit, die Ausrüstung planmäßig zu überprüfen.«
Die »Auswärtige Abteilung« arrangierte unverzüglich eine Audienz bei Oberst Lewis in der Versuchsstation des Generalquartiermeisteramtes, und Hermann und ich wurden gleich im Auto hinübergeschickt.
Oberst Lewis war ein gemütlicher Riese von einem Offizier, ein Sportsmann vom Scheitel bis zur Sohle. Unverzüglich rief er die Versuchsleiter der verschiedenen Abteilungen zusammen. Augenblicklich schlugen sie eine Menge von Ausrüstungsgegenständen vor, von denen sie gerne wollten, daß sie ausprobiert würden. Es überstieg unsere kühnsten Hoffnungen, was sie uns hier an irgend Denkbarem aufzählten,
Und während wir selbst an Bord hausen, eilt unser Floß aus Balsastämmen mit seiner Bambuslast den Palenquefluß hinunter zum Stillen Ozean.
Oben: Die Teilnehmer der „Kon-Tiki"-Expedition. Von links nach rechts: Knut Haug-land, Bengt Danielsson, der Verfasser, Erik Hesselberg, Torstein Raaby und Hermann Watzinger.
Unten: Die „Kon-Tiki" wird in Peru gebaut. Die Balsastämme werden mit Hanttauen zusammengebunden. Nicht ein Stück Metall wird dabei verwendet.
von Verpflegungsrationen bis zu Sonnencreme und wasserdichten Schlafsäcken. Sie schleppten uns gleich mit, damit wir einen Blick auf die Sachen tun könnten. Wir kosteten Spezialrationen in handlichen Packungen. Wir probierten Zündhölzer aus, die noch besser brannten, wenn man sie ins Wasser hielt, neumodische Primuskocher und Wassertanks, Gummisäcke und Spezialschuhe, Küchengerät und Klappmesser, kurz alles, was eine Expedition sich nur wünschen konnte.
Ich warf Hermann einen Blick zu. Er sah so erwartungsvoll aus wie ein lieber kleiner Junge, der mit seiner reichen Tante durch ein Schokoladengeschäft geht. Der lange Oberst ging voran und zeigte die verschiedenen Herrlichkeiten, und als wir endlich durch waren, hatte das Stabspersonal bereits alles in Frage Kommende samt der benötigten Menge notiert. Ich hielt also die Schlacht bereits für glücklich gewonnen und verspürte in mir bloß den Drang, möglichst
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