Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik
behängt mit schweren Moosfransen, Bärten und Schlingpflanzen. Und über alles gluckste und rauschte es dahin. Wegspuren waren kaum noch zu sehen. Eine Armee von grünen Riesengewächsen wälzte sich uns entgegen und verschluckte den winzigen Jeep, der nur mehr langsam auf dem schlammerfüllten Weg weiterplatschte. Jetzt waren wir im Dschungel, und die Luft war beklemmend und gesättigt mit Pflanzenduft.
Als die Dunkelheit einbrach, erreichten wir eine Gruppe von palmengedeckten Hütten. Klatschnaß vom warmen Wasser, versorgten wir den Jeep unter einem trockenen Dach. Was unsere armen Körper in der Nacht an stechenden Schmarotzern sammelten, ertrank erfreulicher weise am nächsten Tag wieder im Regen. Den Jeep mit Bananen und Südfrüchten beladen, ging es weiter durch den Dschungel, tiefer und tiefer hinunter, unserer Meinung zum Trotz, daß wir schon längst am Grunde der Tiefe sein mußten. Der Schlamm wurde immer arger, aber das bekümmerte uns nicht, und die Räuber hielten sich in unbekanntem Abstand.
Erst als der Weg durch einen breiten Fluß versperrt war, der sein lehmiges Wasser durch den Dschungel walzte, mußte der Jeep kapitulieren. Hier saßen wir nun fest und konnten nach keiner Richtung am Strombett entlangfahren. Auf einer Rodung fanden wir schließlich eine Hütte, an deren Sonnenseite soeben einige Halbblutindianer ein Jaguarfell ausspannten. Daneben taten sich Hunde und Hühner an Kakaobohnen gütlich, die zum Trocknen ausgebreitet waren. Als der Jeep herankroch, kam Leben ins Bild. Alles lief zusammen, und ein paar Leute, die Spanisch sprachen, erklärten uns, daß wir am Palenque-Fluß standen, und daß Quevedo gleich auf der anderen Seite lag. Es gab keine Brücke hier, und der Wasserlauf war reißend und tief. Die Indianer aber waren gerne bereit, uns und den Jeep auf einem Floß überzusetzen. Am Ufer drunten lag das Weltwunder. Armdicke Stämme waren mit Bambus und Pflanzenfasern zu einer Art Floß zusammengebunden, doppelt so lang und so breit wie unser Jeep. Eine Planke unter jedem Rad, und mit angehaltenem Atem fuhren wir den Jeep hinaus auf das Balkenwerk. Wenngleich die meisten Balken im Schlammwasser untertauchten, so trugen sie dennoch den Jeep und uns und noch vier halbnackte Schokoladenmänner, die uns mit langen Stangen hinausstakten.
»Balsa?« fragten Hermann und ich wie aus einem Munde.
Die „Kon-Tiki" klar zum Start im Hafen von Callao. Als getreue Kopie der historischen Indianerfahrzeuge, die den Stillen Ozean vor der Küste von Peru und Ecuador befahren haben, ist das Floß mit einer offenen Bambushütte am Achterdeck und einem Raasegel zwischen zwei zusammengebundenen Masten ausgestattet. Wir tauften es zu Ehren des Sonnengottes auf den Namen „Kon-Tiki".
Mit vollen Segeln auf schwerer See. Wir haben eine bittere Lehrzeit draußen im Humboldtstrom. Die letzten Meister im Floßsegeln, die es uns hätten lehren können, sind ja schon seit vielen hundert Jahren tot.
»Balsa«, nickte einer von den Kerlen und gab den Stämmen respektlos einen Fußtritt.
Die Strömung ergriff uns und wirbelte uns den Fluß hinunter, während die Leute an den richtigen Stellen stakten und so das Floß in Kurs hielten, schräg über den Strom hinüber und in das stillere Wasser auf der anderen Seite hinein. Das war unsere erste Begegnung mit dem Balsaholz und unsere erste Fahrt auf einem Balsafloß.
Am anderen Ufer zogen wir das Floß an Land und fuhren triumphierend in Quevedo ein. Zwei Reihen von geteerten Holzhäusern mit bewegungslosen Geiern auf den Palmendächern bildeten eine Art Straße, die die ganze Ortschaft ausmachte. Die Bevölkerung ließ alles, was sie in Händen hatte, liegen und stehen, und Schwarze und Braune, Junge und Alte quollen förmlich aus Türen und Fenstern. Wie ein reißender Strom von tausend plappernden Zungen wälzten sie sich dem Jeep entgegen und hängten sich wie die Kletten auf allen Seiten an ihn. Während wir verzweifelt unser irdisches Eigentum zusammenhielten und Aguarto heroisch um das Steuer kämpfte, ging unserem Jeep die Luft aus, und er sank pfeifend in die Knie. Wir waren in Quevedo angekommen und mußten die Empfangsumarmung aushalten.
Don Federicos Plantage lag noch ein Stück weiter den Fluß hinunter. Als der Jeep mit Agurto, Hermann und mir entlang einem Wege zwischen Mangobäumen in den Hof hineingehumpelt kam, lief uns der kleine, zaundürre Dschungelbewohner mit seinem Neffen Angel schon in raschen Sprüngen entgegen. Angel war noch
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