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Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Titel: Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Hayerdhal
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zwischen den Senkkielen, während die anderen sich in eleganter Fächerformation vor unserem Bug hielten. Ab und an kreuzten sie vom Floß weg, um einen eßbaren Happen zu erwischen, an dem wir vorbeisegelten. Und nach den Mahlzeiten, wenn wir die Speiseeimer neben uns ins Wasser schütteten, war es, als hätten wir eine ganze Zigarrenkiste von gestreiften Lotsenfischen noch auf die Speisereste drauf geleert. Kein Bissen war zu klein, als daß sie ihn nicht beschnuppert hätten. Und soweit es nicht vegetabilische Nahrung war, verschwand sie in ihnen. Mit so kindlichem Vertrauen fanden sich diese netten kleinen Fische unter unseren beschützenden Flossen ein, daß wir genauso wie der Hai geradezu väterliche Gefühle für sie hegten. Sie wurden »Kon-Tikis« maritime Haustiere. Es war strenges Tabu an Bord, Hand an einen Lotsenfisch zu legen.
    Manche haben sicher ihre Kinderschuhe in unserem Gefolge vertreten. Sie waren kaum einen Zoll lang, während die meisten etwa einen halben Fuß maßen. Als der Walhai mit der Geschwindigkeit eines Blitzes davon jagte, Erichs Harpune im Schädel, da schloß sich ein Teil seiner alten Lotsenfische den Siegern an. Diese Exemplare waren meistens zwei Fuß lang. Nach immer neuen Siegen hatte »Kon-Tiki« bald ein Gefolge von vierzig bis fünfzig Lotsenfischen. Viele davon schätzten unsere langsame Bewegung und unseren täglichen Abfall so sehr, daß sie uns über Tausende von Kilometern folgten.
    Aber es kam vor, daß welche untreu wurden. Eines Tages, als ich am Steuerruder stand, merkte ich plötzlich, daß das Meer südlich von uns aufwallte. Und schon kam ein ungeheurer Schwärm von Dolfinen über die Wellen angejagt - wie Silbertorpedos -, sie kamen nicht gemütlich auf die Flachseite platschend wie gewöhnlich, sondern in wahnwitziger Fahrt, mehr durch die Luft als durch das Wasser. Die blauen Dünungen wurden ein einziges, weißschäumendes Chaos von springenden Flüchtlingen, und dahinter, im Zickzack, kam ein schwarzer Rücken wie ein Rennboot über die Wasserfläche geschossen. Die verzweifelten Dolfine kamen unter und über dem Wasser direkt auf das Floß zu, vor dem sie tauchten, während hundert andere sich zu einem dichten Schwarm zusammenschlossen und nach Osten schwenkten, so daß die ganze See achteraus in Farben blinkte. Der glänzende Rücken hinter ihnen wälzte sich halb über die Wasserfläche, tauchte in eleganter Kurve unter das Floß, schoß wie ein Torpedo hinter uns wieder hervor und dem Dolfinschwarm nach. Es war ein teuflischer Kerl von einem Blauhai, fünf bis sechs Meter lang. Und da waren auf einmal viele von unseren Lotsenfischen verschwunden. Sie hatten in ihm einen spannenderen Seehelden als uns gefunden.
    Das Seetier, vor dem uns die Fachleute am meisten gewarnt hatten, war indessen der Riesenkrake, denn er konnte auf das Floß heraufklettern. Die Geographische Gesellschaft in Washington hatte uns dramatische Blitzlichtaufnahmen aus einer bestimmten Gegend des Humboldtstromes vorgelegt. Hier hatten die schrecklichen Riesentintenfische in großen Mengen ihren Lieblingsplatz und kamen in der Nacht an die Oberfläche empor. Sie waren so raublustig, daß, wenn einer sich an einem Fleischstück festgesaugt hatte und so an den Haken gekommen war, ein anderer herankam und seinen gefangenen Vetter aufzufressen begann. Sie hatten Fangarme, die einem Riesenhai ein Ende machen und einem großen Wal einen Denkzettel geben konnten, und dazu einen teuflischen Raubschnabel wie ein Adler, zwischen den Tentakeln versteckt. Man brachte uns in Erinnerung, daß sie hier mit phosphorleuchtenden Augen in der Finsternis der Nacht dahintrieben, daß ihre Arme lang genug waren, um in jeden kleinsten Winkel auf dem Floß zu tasten, wenn sie es nicht für gut fanden, selbst an Bord zu kommen. Wir schätzten keineswegs die Zukunftsaussicht, einen kalten Arm um den Hals zu fühlen, der uns in der Nacht aus dem Schlafsack holen könnte. So verschafften wir uns jeder ein säbelartiges Machetemesser für den Fall, daß wir eines Tages erwachen sollten, umschlungen von tastenden Tintenfischarmen. Von allem, was uns bevorstand, schien uns dies am unbehaglichsten, als wir starteten, besonders als die Meeresexperten in Peru in dasselbe Horn bliesen und uns auf der Karte zeigten, wo die schlimmste Gegend war, direkt inmitten des Humboldtstromes.
    Lange sahen wir keine Spur von einem Tintenfisch, weder an Bord noch draußen auf See. Aber eines Morgens bekamen wir die erste Warnung,

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