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Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Titel: Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Hayerdhal
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große Menschenmassen. Die kleine Osterinsel war damals fischreich und mit großen Plantagen von peruanischen Süßkartoffeln gründlich bestellt, und Experten meinen, daß die Insel in der Zeit ihrer kulturellen Blüte leicht eine Bevölkerung von sieben- bis achttausend Menschen ernähren konnte. Etwa tausend Menschen hätten genügt, um die Riesenstatuen über die steile Kraterwand heraufzuziehen, während fünfhundert Mann ausreichten, sie weiter über die Insel zu schleppen.
    Aus Bast und anderen Pflanzenfasern wurden unzerreißbare Seile geflochten, und mit festgefügten Holzrahmen zog die Menschenmasse den Steinkoloß über Stämme und kleine Rollsteine, glatt geschmiert mit Tarowurzeln. Daß das alte Kulturvolk meisterhaft verstand, Tauwerk zu flechten und Seile zu drehen, ist von den Südseeinseln und vielleicht noch mehr aus Peru wohlbekannt, wo die ersten Europäer Hunderte Meter lange Hängebrücken über Wasserfälle und Schluchten mit Hilfe von geflochtenen Tauen ausgespannt fanden, stark wie der Leib eines Mannes.
    Waren die Steinkolosse auf ihrem auserwählten Platz angelangt und sollten nun aufgestellt werden, dann entstand das nächste Problem. Aus Stein und Sand baute die Menge eine Hilfsrampe und zog den Riesen die sanfte Seite mit den Füßen voran hinauf, ließ ihn über die scharfe Kante kippen und hinuntergleiten, so daß das Fußende in einer fertigen Grube landete. Solange die Schrägfläche noch stand und gegen das Hinterhaupt des Riesen führte, rollten sie einen besonderen Steinzylinder hinauf und brachten ihn über dem Scheitel an. Dann erst wurde der Hilfsbau abgetragen. Solche fertige Rampen stehen an vielen Stellen der Osterinsel und warten auf Riesenfiguren, die nie mehr kamen. Die Technik ist bewunderungswürdig, aber keineswegs mysteriös, wenn wir nur aufhören, die Intelligenz der vorzeitlichen Baumeister und ihren Vorrat an Zeit und Menschenmaterial zu unterschätzen.
    Warum aber errichteten sie diese Steinbilder? Und warum war es notwendig, aus einem anderen Steinbruch, sieben Kilometer weit von der Kraterwerkstatt, einen Block von einer besonderen roten Felsart herbeizuschaffen, um ihn der Statue aufs Haupt zu setzen? Sowohl in Südamerika wie auf den Marquesasinseln war oft die ganze Statue aus solchem roten Stein, und er mußte oft weit hergebracht werden. Roter Kopfschmuck für hochstehende Personen war in Polynesien so wichtig wie in Peru.
    Betrachten wir zunächst, wen die Statuen eigentlich darstellen. Als die ersten Europäer die Insel besuchten, sahen sie seltsame weiße Männer an Land mit langwallendem Bart, etwas ganz Ungewöhnliches unter diesen Volksstämmen. Diese waren Nachkommen von Frauen und Kindern, die von der ersten Bevölkerung der Insel am Leben geblieben waren. Die Eingeborenen erzählten selbst, daß manche von ihren Vorvätern weiße Hautfarbe besaßen, während die anderen braunhäutig waren. Nach ihrer sorgfältigen und genauen Überlieferung waren die Braunen von den anderen polynesischen Inseln her eingedrungen, während die Weißen schon vor siebenundfünfzig Generationen, also ungefähr 400 bis 500 n. Chr., mit großen Fahrzeugen vom Osten her gekommen waren. Die Leute aus dem Osten wurden »Langohren« genannt, weil sie sich Gewichte in die Ohrläppchen hängten und diese künstlich so dehnten, daß sie ihnen bis auf die Schultern herabhingen. Es waren die mystischen »Langohren«, die erschlagen wurden, als die »Kurzohren« die Insel in Besitz nahmen. So haben denn auch alle Steinfiguren auf der Osterinsel bis auf die Schultern herabreichende Ohren, nicht anders als die Bildhauer selber sie getragen hatten.
    Nun erzählen jedoch die Inkalegenden in Peru, daß der Sonnenkönig Kon-Tiki über ein Volk von weißen und bärtigen Männern geherrscht habe, die von den Inkas »Großohren« genannt wurden, weil sie ihre Ohren künstlich verlängerten, daß sie ihnen bis auf die Schultern gingen.
    Diese Legenden sagen ausdrücklich, daß es Kon-Tikis »Großohren« waren, die jene verlassenen Riesenstatuen in den Anden aufgerichtet hatten, bevor sie von den Inkas selber in einer Schlacht auf einer Insel des Titicacasees ausgerottet oder vertrieben wurden.
    Also: Kon-Tikis weiße »Großohren«, die allein jene kolossalen
    Steinstatuen herstellten, verschwanden mit ihren Kenntnissen und ihrer reichen Bildhauererfahrung von Peru nach Westen, und Tikis weiße »Langohren« kamen aus dem Osten bei der Osterinsel an, wohlbewandert in eben dieser Kunst.

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