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Die ewige Straße

Die ewige Straße

Titel: Die ewige Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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    Die Expedition war fast neun Monate unterwegs gewesen. Silas starrte lange auf das Papier. Dann zog er eine Münze aus der Tasche und gab sie dem Knaben. »Sag ihm, daß ich auf dem Weg bin.«
    Die Sonne senkte sich dem Horizont entgegen, und die letzten paar Nächte waren kalt gewesen. Silas eilte ins Haus, wusch Gesicht und Hände, zog ein frisches Hemd an und nahm eine leichte Jacke aus dem Schrank. Dann verließ er das Haus, so schnell seine Würde und sein Alter von fünfzig Jahren es erlaubten. Er marschierte eilig zum Imperium und zog Oxfoot aus dem Stall. Dann ritt er zum Stadttor hinaus und an der Flußstraße entlang. Der Himmel war klar und rot und wurde nach Osten hin rasch dunkler. Ein Reiherpaar schwebte träge über dem Fluß. Der Mississippi strudelte um die eingestürzte Straßenbauerbrücke, sein Wasser schäumte an den geborstenen Trümmern, floß sanft über bereits versunkene Plätze und wusch beharrlich über Backsteinhaufen. Niemand wußte, wie alt die Brücke wirklich war. Die Pfeiler und Türme ragten grau und einsam in das Zwielicht des Abends.
    Zur Rechten bog ein gepflasterter Weg ab. Er führte durch ein Ulmenwäldchen zu einem Steilhang hinauf. Die nördliche Seite der Straße war von einer langen grauen Mauer gesäumt, die zu einem Haus gehörte, das tief in den Hügel hineingebaut war. Silas musterte die grauen Steine im Vorbeireiten und fragte sich nicht zum ersten Mal, wie die Welt ausgesehen hatte, als der Mörtel zwischen den Steinen noch frisch war. Die Mauer endete unvermittelt. Silas ritt um den Hügel herum, und Kariks Villa kam in Sicht. Das Haus war ein vertrauter Anblick, und die Erinnerung an vergangene Tage, die er dort in Gesellschaft von Freunden mit Wein und Unterhaltungen verbracht hatte, ließen ein Gefühl der Wehmut in ihm aufsteigen. Der Knabe, der die Nachricht überbracht hatte, zog Wasser aus dem Brunnen. Er winkte Silas zu. »Er wartet auf Sie, Sir. Gehen Sie einfach rein.«
    Die Villa zeigte auf den Fluß hinaus. Sie war ganz in der Tradition der Masandik gebaut, zweistöckig, mit viel Glas, geteilten Verandafenstern im Erdgeschoß und einer Balustrade, die um den ersten Stock herumlief. Silas gab dem Knaben das Pferd, klopfte an die Vordertür und trat ein.
    Alles war wie immer. Die Wände waren mit herbstfarbenen Gobelins behängt, und gedämpftes Licht erhellte das Wohnzimmer. Das Mobiliar war neu, doch im gleichen Stil, den Silas in Erinnerung hatte: kunstvoll geschnitztes Holz mit Lederpolstern. Genau die Art von Möbeln, die man während der Jahre des Imperiums in einem der Herrscherhäuser erwartet hätte.
    Karik hatte an einem Lesetisch Platz genommen und brütete über einem Buch. Silas erkannte ihn kaum wieder. Kariks Haare und Bart waren fast weiß geworden, seine Haut war faltig und blaßgelb. Die Augen waren tief in die Höhlen gesunken, und ihre einstige Intensität war einem düsteren roten Schimmer gewichen. Doch Karik lächelte. Er blickte von den handgeschriebenen Seiten auf und kam mit ausgebreiteten Armen auf Silas zu. »Es ist schön, dich wiederzusehen«, sagte er. Er drückte Silas an sich und hielt ihn einen langen Augenblick fest. Das war ungewöhnlich. Karik Endine war ein Mann von eher kühlem Temperament. »Du hast nicht erwartet, daß ich zurückkehren würde, nicht wahr?«
    In Silas hatten sich die Zweifel gemehrt, während die Monate ins Land gezogen waren. »Ich war mir nicht sicher«, antwortete er.
    Der Knabe kam mit dem Wasser und machte sich daran, die Vorratsbehälter in der Küche aufzufüllen.
    Karik führte Silas zu einem Sessel, und sie unterhielten sich über belanglose Dinge, bis sie wieder allein waren. Dann beugte sich Silas zu seinem alten Freund vor und senkte die Stimme. »Was ist geschehen?« fragte er. »Hast du es gefunden?«
    Die Fenster standen offen. Eine kühle Brise wehte durch das Wohnzimmer. Die Vorhänge bewegten sich sanft.
    »Nein.«
    Silas verspürte eine unerwartete Befriedigung. »Das tut mir leid.«
    »Ich glaube nicht, daß es existiert.«
    »Du meinst, deine Informationen waren falsch, und du weißt nicht, wo es ist?«
    »Ich meine: Ich glaube nicht, daß es existiert.« Karik entkorkte eine Flasche mit dunklem Wein und nahm zwei Kelche aus einem Schrank. Er füllte sie und reichte einen davon Silas.
    »Auf Haven«, sagte Silas. »Und auf alte Freunde.«
    Karik schüttelte den Kopf. »Nein. Auf dich, Silas. Und auf unser Zuhause. Auf Illyrien.«
    Während sie beim ersten Glas saßen,

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