Im Club der geheimen Wünsche
London, Mai 1818
Wie soll ich dem Mann erklären, dass ich seine Dienste nicht will, obwohl ich dafür bezahlt habe?" Jane St. Giles, Lady Sherringham, stellte diese Frage ihrem Spiegelbild, das ihr natürlich keine Antwort geben würde, auf die sie nicht auch selbst hätte kommen können.
Es war also ziemlich sinnlos, Selbstgespräche vor dem Standspiegel zu führen.
Stöhnend ging Jane im Schlafzimmer des Bordells auf und ab, kaute dabei an ihrem Daumennagel und fürchtete sich vor dem Klopfen an der Tür, das jeden Moment zu erwarten war.
Sie war auf der Suche nach ihrer besten Freundin Delphina, Lady Treyworth, hierhergekommen. Und sie hatte eine beträchtliche Summe für einen der jungen Männer bezahlt, die für Mrs Brougham arbeiteten. Sie leitete dieses Etablissement in einem Außenbezirk Mayfairs, das als Der Club bekannt war. Janes Geschäft mit Mrs Brougham war lediglich eine List gewesen, um in das Bordell zu gelangen. Deshalb musste sie den Mann gleich dazu bringen, wieder zu gehen, ohne sie zu berühren.
Ob er wütend werden würde?
Jane schauderte.
Würde er in erregtem Zustand zu ihr kommen? Eiskalt legten sich die Finger der Angst um ihr Herz. Ihr war klar, dass ein Mann ausfallend werden konnte, wenn er erregt war und die Frau nicht mitspielte.
Sherringham gegenüber hatte sie nie den Mut aufgebracht, sich zu verweigern. Sie war ihren Pflichten als Ehefrau stets nachgekommen, weil sie viel zu viel Angst gehabt hatte, er könnte sonst gewalttätig werden. Seit dem Tod ihres Mannes waren nun schon dreizehn Monate vergangen. Jetzt musste sie nicht länger die Nächte durchleiden, in denen er in ihr Schlafzimmer kam, um sich anschließend dafür zu hassen, dass sie nicht gewagt hatte, ihn wegzuschicken.
Jane ging immer noch auf und ab und schlang dabei die Arme um ihre Brust. Ob ein üppiges Trinkgeld den lüsternen jungen Mann besänftigen würde?
Oh, lieber Gott, dachte sie und suchte an einem der Bettpfosten Halt.
Das prunkvolle Bett nahm fast den ganzen Raum ein. Mit Samt gepolsterte Hand- und Fußschellen hingen an den mit Schnitzereien verzierten, vergoldeten Pfosten. Als sie die Reliefs betrachtete, die in das Holz der Bettpfosten geschnitzt waren, zog sich Janes Magen zusammen. Es zeigte miteinander verschlungene Schlangen und so etwas wie ein Schwert, bei dem es sich aber auch um den intimsten Körperteil eines Mannes handeln konnte.
Jane erinnerte sich an jenen Nachmittag vor zwei Monaten, an dem ihre zwei engsten Freundinnen erzählt hatten, ihre Ehemänner hätten sie in diesen Club mitgenommen. Obwohl die Sonne strahlend hell in Janes Morgenzimmer gefallen war, war es ihr kalt über den Rücken gelaufen.
„Aber Damen gehen nicht in einen Club für Gentlemen", hatte sie gesagt.
„In diesen schon", hauchte Charlotte. In den kornblumenblauen Tiefen ihrer Augen erkannte Jane Angst und Scham.
„Das ist das Neuartige an diesem Club", erklärte Del. „Die Gentlemen bringen ihre Ehefrauen mit - und zwar kostümiert. An jedem Freitagabend sind die Damen aufgefordert, sich als Nonnen zu verkleiden." Dann senkte sie die Stimme und gleichzeitig die Lider. „Auf meinem Hinterteil sieht man immer noch die Spuren von der Züchtigung mit der Gerte."
Janes Mund öffnete sich zu einem stummen Laut des Entsetzens. Sie hatte Sherringhams Bestrafungen mit der flachen Hand ertragen, aber er hatte nie gewagt, sie mit der Gerte zu schlagen.
Als sie sich nun im Schlafzimmer des Bordells umschaute, begann sie zu zittern. Hatte dieser furchtbare Club etwas mit Dels Verschwinden zu tun?
Jemand klopfte laut an, und Jane zuckte so heftig zusammen, dass sie sich den Zeh am Bettpfosten stieß. „Madam?
Darf ich eintreten?"
Der Mann, den sie gemietet hatte, besaß eine verführerische Stimme. Sie klang kultiviert und hatte einen vibrierenden Unterton, von dem Jane heiß und kalt wurde. Was ließ ein so höfliches Auftreten erwarten? Würde es einfacher oder schwieriger werden, mit einem käuflichen Mann umzugehen, der eine gepflegte Aussprache hatte?
„J...Ja", stieß sie mit zittriger Stimme hervor.
Sie hatte noch nicht einmal ihren Umhang abgelegt. Jane war in ihrer Trauerkleidung hierhergekommen, sodass ihr Gesicht hinter dem Witwenschleier verborgen war. Als die Tür sich öffnete, wandte sie dennoch den Kopf ab, damit niemand sie von draußen sehen konnte.
Ihr Ehemann hatte meist nach Schweiß, Alkohol und dem Parfüm anderer Frauen gerochen, wenn er nachts zu ihr kam. Den Mann, der
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