KON-TIKI
und meine Sammlungen von Käfern und Fischen von Fatuhiva dem Zoologischen Museum der Universität übergab. Ich wollte meine Tierstudien abschließen und mich auf die Erforschung primitiver Volksstämme verlegen. Die ungelösten Rätsel der Südsee hatten mich in ihren Bann gezogen. Sie mußten eine vernünftige Lösung haben, und ich setzte mir zum Ziel, die Sagengestalt Tiki zu identifizieren.
In den folgenden Jahren waren Brandung und Dschungelruinen wie ein ferner und unwirklicher Traum, der hinter meinen Arbeiten über die Stämme der Südsee stand.
So sinnlos wie der Versuch, mit Bücherstudium und Museumsbesuchen die Gedanken und Handlungen eines Naturvolkes verstehen zu wollen, so sinnlos ist es aber auch für einen Forschungsreisenden der Gegenwart, all die Gegenden selbst aufzusuchen, die er in einem einzigen Band dargestellt finden kann.
Wissenschaftliche Werke, Darstellungen aus den Tagen der Entdeckungen und endlose Sammlungen in den Museen Europas und Amerikas boten mir eine Überfülle an Material für das Puzzlespiel, das ich zusammenzusetzen versuchte.
Seit die Südseeinseln nach der Entdeckung Amerikas von Europäern erreicht wurden, haben Forscher verschiedenster Wissensgebiete einen nahezu unübersehbaren Berg von Nachrichten über die Polynesier und ihre Nachbarn zusammengetragen. Aber es gab nie eine Einigung über die Herkunft dieses isolierten Menschenschlages oder über die Ursache, warum er sich gerade auf die einsamen Inseln des östlichen Pazifiks beschränkt.
Als die ersten Europäer sich auf dieses größte aller Weltmeere hinausgewagt hatten, entdeckten sie zu ihrem Erstaunen mitten darin eine Menge kleiner gebirgiger Inseln und flacher Korallenriffe, getrennt voneinander und der übrigen Welt durch unendliche Seestrecken. Und jede einzelne dieser Inseln war bereits von Menschen bewohnt, die viel früher hierhergekommen waren. Schön und hochgewachsen, liefen sie ihnen am Strande mit Hunden, Schweinen und Hühnern entgegen. Woher waren sie gekommen? Sie redeten eine Sprache, die kein anderes Volk verstand, und unsere Rasse, die sich keck Entdecker der Inseln nannte, fand hier wohlbestelltes Land und Dörfer mit Tempeln und Hütten auf jedem kleinsten bewohnbaren Eiland. Ja, auf manchen Inseln gab es sogar uralte Pyramiden, gepflasterte Straßen und steinerne Statuen in den Ausmaßen eines vierstöckigen Hauses.
Aber die Klärung des Geheimnisses blieb aus. Wer waren diese Leute, und woher kamen sie?
Man kann ruhig sagen, daß die Antworten auf diese Rätsel ebenso zahlreich sind wie die Bücher, die sich damit befassen. Die Spezialisten der verschiedenen Kulturbereiche haben auch verschiedene Lösungen ausgeheckt, aber ihre Behauptungen wurden stets widerlegt durch logische Beweise der Fachleute, die in anderer Richtung arbeiteten. Die malaiischen Inseln, Indien, China, Japan, Arabien, Ägypten, der Kaukasus, Atlantis, ja sogar Deutschland und Norwegen wurden für die Herkunft der Polynesier verantwortlich gemacht, aber immer ergab sich irgendein entscheidender Haken, der wieder die ganze Theorie in der Luft schweben ließ.
Wo aber die Wissenschaft stehenbleiben mußte, hatte die Phantasie freies Spiel. Die geheimnisvollen Riesenpfeiler aus Stein auf der Osterinsel und all die anderen Kulturreste unbekannten Ursprungs auf diesem winzigen offenen Eiland, das so mutterseelenallein genau in der Mitte zwischen der nächsten Insel und der Küste Südamerikas liegt, verleiteten geradezu zu den verschiedensten Spekulationen. Viele wollten in den Funden auf der Osterinsel offenkundige Überreste von Südamerikas prähistorischen Kulturen sehen. Vielleicht waren die Osterinsel und all die anderen Südseeinseln, die entsprechende Denkmäler besaßen, Reste eines versunkenen Kontinents, die noch über die Meeresfläche ragten?
Das wäre nun eine brauchbare Theorie und eine annehmbare Erklärung gewesen, aber sie war weder bei Geologen noch anderen Forschern geschätzt. Im Gegenteil! Die Zoologie bewies ganz scharf an Hand der Untersuchung von Insekten und Schnecken auf den Südseeinseln, daß diese in der ganzen Menschheitsgeschichte vollständig isoliert voneinander und von den umgebenden Kontinenten waren, genauso, wie sie es auch heute noch sind.
Wir wissen daher mit aller Bestimmtheit, daß die urpolynesische Rasse einmal treibend oder fahrend diese abgelegenen Inseln erreicht hat - mit oder gegen ihren eigenen Willen. Unterzieht man die Südseeinsulaner einer gründlicheren
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