Konfessor - 17
gehörte.
Richard richtete seinen Blick in den eisengrauen, wolkenverhangenen Himmel. Die letzten zartvioletten Schleier des Sonnenuntergangs waren verschwunden. Es würde eine sehr dunkle Nacht werden. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Partie zu dieser späten Stunde beginnen würde, andererseits war eine Abendpartie ganz in seinem Sinn. Immerhin war dies endlich mal ein unverhofftes Glück angesichts der monumentalen Hindernisse, die sich vor ihm auftürmten. Als Waldführer war er Dunkelheit gewohnt, hatte er die Pfade in den Wäldern seiner Heimat oft nur im Schein des Mondes und der Sterne beschritten, und manchmal sogar nur der Sterne. Im Dunkeln fühlte er sich wohl. Zum Sehen gehörte mehr als nur der Gebrauch der Augen.
Richard war gerade dabei, Johnrocks Bemalung zu beenden, als er Kommandant Karg sich einen Weg durch den Ring aus Gardesoldaten bahnen sah. Nach ihrer Beteiligung an dem Verrat vom Vorabend waren sie bestrebt, dem übellaunigen Offizier aus dem Wege zu gehen. Sogar ein paar neue Gesichter gab es unter ihnen, zweifellos Aufseher, die größeres Vertrauen genossen. Kommandant Karg führte eine Eskorte aus Soldaten an, Männer, deren Aufgabe es war, die gefangenen Spieler zu bewachen und dafür zu sorgen, dass sie Ja’La spielten und sonst nichts. Ihre Hauptaufgabe aber bestand darin, auf Richard aufzupassen. Sie waren seine Sonderbewacher.
Nachdem ihn der Kommandant als Letzten von seinen Fesseln befreit und seinen eisernen Halsring aufgeschlossen hatte, konnte Richard sich endlich den wunden Hals reiben. Ohne die Kette war ihm ganz leicht zumute, beinahe so, als könnte er schweben. Er hatte das Gefühl, schwerelos und übermenschlich schnell zu sein. Ein Gefühl, das er über alle Maßen genoss.
Der ferne Sprechgesang der Soldaten hatte etwas Urzeitliches. Er wirkte überaus unheimlich und bereitete Richard eine Gänsehaut. Die Zuschauer verlangte es nach Blut - und an diesem Abend würde sich ihr Wunsch erfüllen.
Als er, an der Spitze seiner Mannschaft gehend, Kommandant Karg zum Ja’La-Feld folgte, verdrängte er den anschwellenden Lärm aus seinen Gedanken und fand sein stilles Zentrum, auf das er sich ganz konzentrierte.
Auf den von Soldatenmassen gesäumten Wegen durch das Feldlager streckten sich ihnen allenthalben Hände entgegen, die die Spieler der Mannschaft beim Vorübergehen berühren wollten. Einige seiner Mitspieler winkten lächelnd und klatschten die ausgestreckten Hände der Soldaten ab. Vor allem Johnrock, der größte Spieler, war leicht auszumachen und stand im Mittelpunkt des Interesses. Er winkte grinsend, schüttelte Hände und ließ dies alles im Vorübergehen auf sich einwirken. Richard konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es vor allem die Bewunderung der Massen war, die Johnrock sich stets mehr als alles andere gewünscht hatte. Er gefiel sich darin, ihnen zu gefallen. Von allen Seiten wurden sie mit aufmunternden und hasserfüllten Rufen überschüttet. Richard hielt die Augen im Vorbeimarsch stur nach vorn gerichtet und ignorierte die Soldaten und ihre Rufe. »Nervös, Rüben?«, erkundigte sich Kommandant Karg. »Ja.«
Karg zeigte ihm ein gönnerhaftes Lächeln. »Das legt sich mit Beginn des Spiels.«
»Ich weiß«, erwiderte Richard mit düsterem Blick. Die gewaltige Mulde des Ja’La-Feldes war ein brodelnder Hexenkessel, die Gesichter der Zuschauer eine helle Gischt über einer kochenden, schwarzen See.
Die Menge jenseits des engen Rings aus flackernden Fackeln am Rand des Spielfeldes hatte einen Gesang angestimmt - nicht etwa aus Worten, vielmehr war es ein kehliges Grunzen, das nicht nur der An-feuerung der Spieler, sondern dem Spektakel als solchem galt. Dazu stampften sie im Rhythmus mit den Füßen. Das tiefe, archaische Geräusch war nicht nur zu hören, sondern auch im Boden unter Richards Füßen zu spüren und erinnerte an Donnergrollen. Der Effekt war ohrenbetäubend und in gewisser Weise berauschend.
Es war der urzeitliche Ruf nach Gewalt.
Richard war für diese Empfindungen längst unempfänglich, er ließ die in seinem Innern längst entfesselten Gemütsbewegungen von diesen wilden Lauten zehren. Auf dem Weg durch die brodelnden Menschenmassen war er in seiner eigenen Welt gefangen und gab sich ganz seinen inneren Trieben hin.
Am einen Spielfeldende, unmittelbar vor den Fackeln, ließ Kommandant Karg seine Mannschaft Halt machen. Richard sah Bogenschützen mit eingelegten Pfeilen, die rings um das Feld Posten
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