Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf
schon auf diesen Gedanken gekommen. Wieder drosselte er das Tempo.
»Bau ja keinen Scheiß«, fauchte er.
Das hatte Errki auch gar nicht vor. Er versuchte einfach nur, ganz still zu sitzen, unsichtbar zu sein, doch sein Körper schien sein eigenes Leben zu leben und wollte nicht gehorchen.
Der Fahrer bremste. Er hatte einen Entschluß gefaßt. Hastig bog er nach links ab und fuhr zu dem Aussichtspunkt hoch. Errki konnte sich nicht so recht vorstellen, was er vorhatte, aber es war sehr ruhig auf dieser Straße. So früh war da oben sicher noch kein Schwein. Der Bankräuber umklammerte den Revolver und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Hinter dem Wagen stoben Sand und Staub auf. Sie hatten sich schon ein gutes Stück von der Hauptstraße entfernt, die Autos unten sahen wie buntes Spielzeug aus. Er bog um die letzte scharfe Kurve und hielt schließlich am Geländer. Von hier aus konnten sie die Mautschranke sehen. Und registrierten es gleichzeitig: Zwei Streifenwagen standen neben dem Kassenhäuschen. Ein Keuchen war zu hören, dann ein Fauchen, als der Bankräuber durch zusammengebissene Zähne ausatmete. Er legte den Rückwärtsgang ein und entfernte sich vom Geländer. Hielt wieder an. Schlug mit dem Revolver auf das Lenkrad. Errki konnte das Chaos in seinem Kopf hören. Der Mann blies sich dermaßen auf, daß ihm der Schweiß regelrecht von der Stirn strömte, sein Herz war nahe an der Grenze dessen, was es überhaupt verkraften konnte. Jetzt ein kleiner Kratzer in der Halsschlagader, und das Blut würde als roter Strahl bis zur Mautschranke spritzen.
»Okay, Kumpel, was schlägst du vor?«
Kumpel. Was für ein jämmerlicher Anbiederungsversuch. Der arme Wicht war einfach ratlos, es war kaum zu ertragen. Errki wollte weg. Vorsichtig wandte er den Kopf und schaute in den Wald hinein, wo sich ein Weg zu schlängeln schien. Es war eine schnelle, fast unmerkliche Bewegung gewesen, aber dem Bankräuber war sie nicht entgangen. Er schaute in dieselbe Richtung. Sein Gehirn funktionierte wieder. Er wendete den Wagen und fuhr über den Aussichtsplatz. Auf den ersten fünfzehn oder zwanzig Metern konnten sie den Weg noch befahren, dann verengte er sich zu einem ziemlich ausgetrampelten Pfad. Als sie anhielten, war der Wagen vom Aussichtspunkt aus nicht mehr zu sehen, versteckt im dichten Laub. Der Bankräuber drehte sich um und nahm die Tasche vom Rücksitz.
»Wir gehen zu Fuß weiter.«
Errki blieb sitzen. Der Bankräuber lief um das Auto herum und schwenkte seine Waffe.
»Du gehst vor. Der Boden ist schön trocken. Ich kann bis heute nacht hier warten. Der Streifenwagen wird nicht lange dort stehen, dafür haben sie nicht genug Leute. Na los. Tempo!«
Nicht bewegen, nichts sagen. Er hörte, daß in der Ferne der Mantel erwacht war und nun flatterte. Nestor brachte ihn auf den neuesten Stand der Ereignisse. Ihr Lachen hallte so laut in ihm wider, daß sein ganzer Leib vibrierte. Er legte sich eine Hand auf die Brust, um den Druck zu dämpfen.
»Was ist los mit dir? Spiel hier bloß nicht den Kranken, darauf fall ich nicht rein. Los, mach, daß du aus der Karre kommst.«
Errki stieg aus. Der Bankräuber trat hinter den Wagen, öffnete den Kofferraum und schaute hinein. Für einen wilden Moment fürchtete Errki, er solle in den winzigen Kofferraum gesperrt werden, wo er sich nicht würde bewegen und nichts würde sehen können. Doch der Bankräuber wühlte darin herum und nahm einen Gegenstand heraus. Ein in Plastikfolie gewickeltes Paket. Er öffnete es und zog eine Plane heraus. Schaute in den grünen Laubhimmel. Die Plane war auch grün. Dann sah er Errki an.
»Leg die Plane über den Wagen. Sie wird unten mit Haken festgemacht. Dann ist die Karre so gut wie unsichtbar. Je länger sie brauchen, um sie zu finden, desto besser.«
Er warf Errki die Plane über die Arme. Errki blieb mit dem grünen Stoff in den Händen stehen. Es war eine Nylonplane, dünn und glatt und widerspenstig, sie rutschte aus seinem schlaffen Griff und fiel zu Boden.
»Na los. Erst mußt du sie ganz auseinanderfalten, dann legst du sie über das Auto.«
Errki legte die Plane auf den Boden und klappte die Ecken auseinander. An jeder war ein Stück Schnur mit einem Metallhaken befestigt. Er hob die Plane an einem Ende hoch und versuchte, damit die Motorhaube zu bedecken. Sofort rutschte sie wieder herunter. Er hatte noch nie etwas so Widerliches zwischen den Händen gehabt wie diesen grünen, glatten Stoff, es
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