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Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Schuß. Gurvin keuchte auf. Kniff die Augen zusammen und starrte die anderen ungläubig an.
    »Wir müssen diese Frau finden«, sagte Sejer. »Wenn wir sie nicht da rausholen können, riskieren wir, daß Geiselnahme in Mode kommt. Und etwas Schlimmeres könnte wohl kaum passieren. Mit diesem elenden Band ist es nur fast unmöglich, sie zu identifizieren, deshalb können wir bloß hoffen, daß sie bald vermißt gemeldet wird. Trotzdem«, er spulte zurück und ließ das Band noch einmal laufen, »irgendwas stimmt hier nicht.«
    »Was denn?« fragte Skarre.
    »Etwas an ihrer Reaktion. Genauer gesagt, an ihrem Mangel an Reaktion. Sie schreit nicht, sie fuchtelt nicht mit den Armen. Sie scheint fast in Trance zu sein. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen, sie ist nicht überrascht. Als hätte sie mit diesem Überfall gerechnet. Vielleicht hatten sie sich verabredet.«
    Skarre blickte ihn verwundert an.
    »Wenn es nun abgekartetes Spiel war. Wenn sie zusammengehören. Wenn sie einfach seine Freundin ist.«
    »Ich glaube nicht, daß das der Fall ist«, murmelte Gurvin undeutlich. Er starrte den flimmernden Bildschirm an. »Diese Geisel ist ein Mann. Und heißt Errki Johrma.«
     

PLÖTZLICH GING IHM DIE WAHRHEIT AUF. Brach wie ein harter Stoß in sein Bewußtsein ein. Er hatte einen Irren an Bord.
    Er fuhr, so schnell es möglich war, ohne Aufsehen zu erregen. Die ganze Zeit behielt er im Rückspiegel den Verkehr im Auge. Sein Puls hämmerte, sein Körper war verspannt und nervös, und er atmete so flach, daß er immer nur die oberste Luftschicht in der Lunge erneuerte. Davon wurde ihm schwindlig. Er schielte zu dem Mann neben ihm hinüber. »Ich frag dich noch einmal. Was hattest du so früh am Morgen in der Bank zu suchen?«
    Errki hörte die schneidenden Trommeln. Sie schlugen einen lauten Wirbel in langsamem Takt. Er schwieg. Öffnete und schloß die Fäuste, starrte den Boden des Autos an, als suche er etwas. Die Wörter ertranken im Lärm der Trommeln. Nicht bewegen, nichts sagen. Er wiegte sich hin und her und schloß die Augen.
    »Ich frage, was zum Teufel hattest du so früh am Morgen in der Bank zu suchen?«
    Jetzt hörte Errki die wütende Stimme. Der Mann hatte Angst. Er prägte sich das ein und fing an, in Gedanken eine Antwort zu formulieren. Nestor hörte seinen Gedanken zu, der mußte die Antwort erst akzeptieren, ehe er sie aussprechen durfte. Deshalb dauerte es seine Zeit. Nestor nahm alles genau. Nestor war …
    »Bist du taub, Mann?«
    Bin ich taub, fragte Errki sich. Das war eine neue Frage, die eine neue Antwort verlangte. Er schob die erste beiseite und machte sich an die zweite. Nestor hörte noch immer zu. Der Mantel blieb weiterhin stumm. Nein, dachte er, ich höre gut. Ich höre den Puls in seinen Adern hämmern, der Druck ist viel zu hoch; und er braucht wahnsinnig viel Energie für diese einfache Kontaktaufnahme. Aber will er wirklich eine Antwort, die nicht richtig durchdacht worden ist? Bringen wir nicht Respekt zum Ausdruck, wenn wir uns bei der Antwort Zeit lassen? Andererseits – hat er überhaupt Respekt verdient? In irgendeiner Hinsicht?
    Einer jungen Frau mit Gewalt Geld wegzunehmen war ja wohl keine Leistung. Für Errki zumindest nicht. Außerdem hatte der Mann eine Waffe. Aber er war offenbar ungeheuer stolz auf seine Tat. Vor lauter Stolz quollen ihm die Wangen auf, und jetzt mußte er Druck ablassen.
    »Kann ich vielleicht mal eine Antwort haben?«
    Die Stimme, ein klangvoller Tenor, wurde von den Trommeln ruiniert. Sie brachten die Wörter durcheinander und ließen sie schrill klingen. Schade, dachte Errki. Männer kümmerten sich nie ausreichend um ihre Stimme. Sie interessierten sich für Muskeln. Ihre Frisur. Die richtige Jeansmarke. Solchen jämmerlichen Kram. Errki stellte fest, daß er ohne weitere Anstrengung einen erwachsenen Mann fast in den Wahnsinn treiben konnte. Einfach, indem er schwieg. Das konnten die meisten nicht ertragen. Keine Antwort zu bekommen. Nicht zu erfahren, wen sie da vor sich hatten. Oder was. Errki schwieg.
    Der Bankräuber atmete schwer. Seine kurzen Locken waren bereits schweißnaß. Er schaute in den Spiegel, drosselte das Tempo, fuhr an den Straßenrand und hielt an. Der Motor lief. Der Bankräuber schaute kurz zu Errki hinüber und fauchte: »Ich muß ein paar Klamotten ausziehen. Versuch ja nicht abzuhauen!«
    Errki hatte das durchaus nicht vor. Der Revolver quälte ihn. Er spürte ihn wie einen scharfen Strahl. Aber jetzt legte der

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