Kopernikus 1
nen?“
„Nicht mehr als jeder andere auch, nehme ich an. B e stimmt weiß ich nicht, warum oder wie er verschwand, falls du das meinst. Hat er nicht die Erde verlassen?“
„Nein. Er hat die Welt verlassen, wenn man so will, aber er hat nie die Erde verlassen. Sehr wenige Menschen wissen es, doch Rolf Thordarsen war der Erbauer von Comarre.“
Comarre! Peyton atmete das Wort durch halbgeöffnete Lippen aus, schmeckte seine Bedeutung und Fremdarti g keit mit der Zunge. Es existierte also wirklich! Von ma n chen war selbst das bestritten worden.
Henson sprach weiter.
„Ich glaube nicht, daß du sehr viel Ahnung von den Dekadenzlern hast. Man hat die Geschichtsbücher sehr sorgfältig gesäubert. Die ganze Geschichte hängt jedoch mit dem Ende des Zweiten Elektronischen Zeitalters z u sammen …“
Zwanzigtausend Meilen über der Erdoberfläche bewegte sich der künstliche Mond, in dem der Weltrat unterg e bracht war, auf seiner ewigen Bahn. Das Dach der Rat s kammer bestand aus einem fehlerlosen Kristallitblech; wenn die Ratsmitglieder tagten, sah es aus, als befände sich zwischen ihnen und der sich unter ihnen hinwegdr e henden Erdkugel überhaupt nichts.
Darin steckte eine tiefe Symbolik. Kein beschränkter, engstirniger Standpunkt konnte sich lange in einer so l chen Umwelt behaupten. Hier jedenfalls, falls überhaupt irgendwo, konnte der Menschengeist seine größten We r ke hervorbringen.
Richard Peyton der Ältere hatte sein Leben lang mit der Lenkung der Geschicke der Erde zugebracht. Fün f hundert Jahre lang hatte die menschliche Rasse Frieden gekannt, und es hatte ihr an nichts gefehlt, was Kunst und Wissenschaft zu liefern imstande waren. Die Menschen, die den Planeten regierten, konnten auf ihr Werk stolz sein.
Dennoch war dem alten Staatsmann unbehaglich z u mute. Vielleicht warfen die künftigen Veränderungen bereits ihre Schatten voraus. Vielleicht spürte er bereits, wenn auch nur im Unterbewußtsein, daß fünf Jahrhu n derte behaglicher Ruhe zur Neige gingen.
Er schaltete die Schreibmaschine ein und begann zu diktieren.
Das Erste Elektronische Zeitalter hatte, wie Peyton wußte, im Jahre 1908, vor mehr als elfhundert Jahren, mit der Erfindung der Triodenröhre durch De Forest b e gonnen. Dasselbe fabelhafte Jahrhundert, das die Etabli e rung des Weltstaates, des Flugzeuges, des Raumschiffes und der Atomkraft sah, hatte auch die Erfindung all der grundlegenden thermionischen Vorrichtungen erlebt, welche die Zivilisation, die er kannte, ermöglichten.
Das Zweite Elektronische Zeitalter war fünfhundert Jahre später angebrochen. Es war nicht von den Phys i kern, sondern von den Ärzten und Psychologen eingele i tet worden. Nahezu fünfhundert Jahre lang hatten sie die elektrischen Strömungen aufgezeichnet, die das Gehirn während der Denkprozesse durchströmen. Die Analyse war erschreckend komplex gewesen, aber nach Gener a tionen voller Pla ck erei war sie abgeschlossen worden. Mit ihrer Fertigstellung lag der Weg offen für die ersten Maschinen, die Gedanken lesen konnten.
Das war jedoch erst der Anfang. Sobald der Mensch den Mechanismus seines eigenen Gehirns kannte, konnte er darauf aufbauen. Er konnte es reproduzieren, unter Verwendung von Transistoren und Schaltkreisen anstatt lebender Zellen.
Gegen Ende des 25. Jahrhunderts entstanden die ersten denkenden Maschinen. Sie waren ziemlich primitiv. N a hezu hundert Quadratmeter Ausrüstung waren zur Erzi e lung einer Leistung nötig, die ein Kubikzentimeter menschlichen Gehirns erbrachte. Sobald aber erst einmal der erste Schritt getan worden war, dauerte es nicht lange bis zur Perfektionierung und allgemeinen Anwendung des mechanischen Gehirns.
Es war lediglich zu den niedrigsten intellektuellen T ä tigkeiten fähig, und es fehlten ihm rein menschliche E i genschaften wie etwa Initiative, Intuition und alle Gefü h le. Unter selten wechselnden Verhältnissen, wo seine Grenzen nicht schwer ins Gewicht fielen, konnte es alles leisten, was ein Mensch zu leisten imstande war.
Das Aufkommen der metallischen Gehirne hatte zu e i ner der großen Krisen in der menschlichen Kultur g e führt. Zwar mußten die Menschen die höheren Aufgaben der Staatskunst und der Lenkung der Gesellschaft noch immer selbst besorgen, doch hatten ihnen die Roboter die ungeheure Masse der routinemäßigen Verwaltungsarbeit abgenommen. Der Mensch war endlich frei geworden. Er mußte sich nicht mehr den Kopf über die Planung ko m plizierter
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