Kopernikus 1
löste ihre Finger und reichte ihm freiwillig ihre Hand.
Er grinste. „Verdammt – wenn ich es will, kann ich s o gar meine verrücktesten Einfälle entsprechend anpreisen.“
Schließlich verließen sie nach langer, langer Zeit doch ihr Schiff und glitten das lange Führungsseil hinunter zu den Kalkutta-Dockanlagen. Das Gelände war übersät mit Medienmännern und Reportern, deren Fragen in ihren Helmlautsprechern dröhnten. Aber auch eine einzelne Gestalt erwartete sie, als sie sich ihren Weg durch die neugierige Menge bahnten. Mythili sah die Insignien auf dem glatten, dunklen Druckanzug, den silbernen, okt a gonalen Stern, eingeschlossen in eine Träne, das Symbol des Demarchy. Chaim sah zu der Gestalt hinüber. „Ab d hiamal?“ flüsterte er.
Sie nickte. Sie stellte sich sein selbstzufriedenes L ä cheln vor, als sie sich ihm näherten, stellte sich die Lit a nei seiner selbstbeweihräuchernden Glückwünsche vor, die er angesichts ihres Erfolges und ihrer Versöhnung an sich selbst richten würde.
Sie runzelte abrupt die Stirn und gab Chaim einen leichten Stoß. „Bleib mir vom Leibe, Dartagnan. Ich ho f fe, nach alldem sehe ich dich niemals wieder!“
Fassungslos starrte er sie an. Sie winkte, und die Übe r raschung fiel von ihm ab; er lächelte dünn und nickte. „Dasselbe gilt auch für mich, du Miststück. Wenn ich Abdhiamal jemals wiedersehen sollte, werde ich ihm se i ne Zähne die Kehle hinunterschlagen.“
„Da müssen Sie nicht lange warten.“ Teuflische Z u friedenheit – „ Abdhiamal!“ – und amüsierte Überr a schung.
Abdhiamal sah von Gesicht zu Gesicht, schüttelte den Kopf, das eigene Antlitz streng. „Nun … dann habe ich nur noch eine Frage an Sie.“
Sie blieben stehen, bemüht, die mörderischen Grima s sen beizubehalten. „Und das wäre?“
„Werden Sie mich zum Brautführer nehmen, wenn Sie heiraten?“
Mit stillem Unglauben sahen sie ihn an, dann sich selbst. Langsam zog Chaim den goldenen Ring von se i nem Handschuhfinger und drückte ihn in Abdhiamals geöffnete Hand. Lächelnd gingen sie an ihm vorbei, jeder auf einer anderen Seite, und gingen dann langsam, Hand in Hand, über die Dockanlagen dahin.
Nachwort
Kopernikus – zugegeben, dieser Name ist für ein Scie n ce-fiction-Magazin in Taschenbuchform ein wenig u n gewöhnlich. Da ein solcher Name ja so etwas wie ein Programm symbolisieren soll, war und ist es üblich, vo r zugsweise weltraumorientierte oder zumindest im B e reich der Naturwissenschaften angesiedelte Namen für derlei Unternehmungen zu benutzen. Andererseits sind aber, glücklicherweise, die Zeiten vorbei, da Science-fiction ausschließlich etwas für einen kleinen Kreis von Eingeweihten war und aus Gründen der Signal w irkung eines astronomisch-physikalischen Mäntelchens bedurfte. Science-fiction umfaßt so viel mehr als nur die literar i sche Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Progn o sen, daß mir die Suche nach dem letzten noch freien Pl a neten oder Stern als Namensgeber doch etwas aufgesetzt erschienen wäre.
Also Kopernikus. Auch ein Name, der mit der Astr o nomie aufs engste verbunden ist, zugleich aber mehr als nur eine astronomische Willensbekundung. Wie kaum ein anderer Mensch seiner Epoche bestimmte Kopernikus das Weltbild unserer heutigen Zeit und damit auch die Grundlagen unserer Zukunft.
Nikolaus Kopernikus wurde 1473 in Thorn/Ermland geboren, studierte kanonisches Recht und Medizin in Italien, war Domherr von Frauenburg und starb 1543. Aus Liebhaberei war er Astronom, und diese Liebhaberei sollte es in sich haben. Sein Werk De revolutionibus o r bium caelestium („Über die Umläufe der Himmelskö r per“) erschien im Jahre seines Todes – es wird berichtet, daß man dem Sterbenden in den letzten Stunden seines Lebens ein Exemplar seines Werkes überreichte.
Kopernikus erschütterte mit seinem Werk das kirchl i che Dogma des geozentrischen Weltbildes, die Vorste l lung von der Erde als dem Mittelpunkt des Universums, um den sich alles bewegt. Durchsetzen konnte sich das neue heliozentrische Weltbild erst durch die von Kepler und Galileo Galilei erbrachten Beweise (das letzte Glied der Beweiskette schloß Wilhelm Bessel 1838 mit der Messung einer Fixsternparallaxe), aber Nikolaus Kope r nikus kommt der Ruhm zu, die Wissenschaft und das Denken des Menschen revolutioniert zu haben. Von Go e the stammt der Satz: „Unter allen Entdeckungen und Überzeugungen möchte nichts eine größere Wirkung auf
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