Kopernikus 1
das Ding, dessen Anblick ihm den Schrei entlockt hatte – ein riesiges Loch, das in der Oberfläche eines noch riesigeren Fußbodens klaffte.
Ein letzter Sprung brachte Mythili direkt an Chaims Seite. „Was ist geschehen?“ Sie richtete die Frage weniger an ihn, sondern mehr an das hinter ihm liegende Loch.
„Er ist weg.“ Seine eigenen Gedanken folgten den i h ren zum Rand der Grube. „Der Reaktor – er ist weg!“
Mythili umklammerte einen herausragenden Stützba l ken, bemüht, die sinnlosen Worte, die sich in ihrer Kehle formten, zurückzuhalten.
Warum? Wohin? … Wer ? Sie stellte die einzige Fra ge, von der sie sich eine Antwort erhoffte.
„Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht …“ Murmelnd richtete Chaim sich auf. „Gott steh mir bei – aber das hier …“ er deutete mit einer Hand zu der zerstörten Wand – … „muß absichtlich getan worden sein, um das Ding hier herauszukriegen. Vielleicht war die Explosion der Grund für die Verlangsamung der Geschwindigkeit des Brockens wodurch er hier eingefangen werden kon n te. Sie müssen es höllisch eilig gehabt haben, das Ding wegzuschaffen.“
„Dann denkst du also, jemand hat diesen Ort nach dem ersten Angriff gefunden und – den Reaktor gestohlen?“
Er grunzte. „Ja.“
„Aber was geschah damit? Warum tauchte er in spät e ren Aufzeichnungen nie mehr auf?“
„Ich weiß es nicht. Wenn es während des Krieges g e schah, dann weiß vielleicht überhaupt niemand, daß es geschehen ist. Vielleicht ist der Reaktor gerade irgendwo im Demarchy in Betrieb. Oder, wer auch immer ihn g e holt hat, explodierte mit ihm zusammen, und das ganze verdammte Ding ist für immer verloren. Uns muß jede n falls nur interessieren, daß er nicht mehr da ist!“ Er riß ein Stück Metall los und warf es fort. Sie beobachtete es, wie es langsam und majestätisch in einem großen Bogen in das Loch hinabfiel.
Sie biß sich auf die Lippen, ihre eigenen Gefühle, b e reits bis jenseits der Grenzen einer Kontrolle gespannt, begannen sie zu übermannen. „Aber der Rest der Fabrik ist noch immer da!“ Sie warf diesen Ausspruch ins An t litz ihrer zerbröckelnden Courage. „Es müssen doch auch noch andere Dinge hier sein, die für eine Fabrik von Wert sind …“
Chaim drehte sich zurück zu ihr, und sie suchte hinter der Glasplatte seines Helms. Sie hörte, wie er lange und tief einatmete. „Vielleicht. Die äußeren Waldos, die wir sahen, als wir ankamen, schienen intakt zu sein. Die F a brik, von der ich dir erzählt habe … deren Waldos waren beschädigt. Wenn wir in der Lage sind, sie unversehrt zu bergen, können wir sie zu unserem eigenen Vorteil ve r kaufen. Niemand sonst hat Ersatzteile zu verkaufen.“
„Das werde ich tun.“ Eine dritte Stimme, eine fremde, erklang im abgeschlossenen Raum ihrer Helme.
Mythili schüttelte ungläubig den Kopf, bis sie den verblüfften Blick sah, den Chaim ihr zuwarf. Gemeinsam drehten sie sich um und fanden eine dritte Gestalt, die hinter ihnen stand – was eigentlich unmöglich war. Ein Schauer kroch ihren Rücken hoch, als sie sich vorstellte, einen Geist aus der toten Vergangenheit zu sehen, einen gespenstischen Wächter, der gekommen war, um an den Grabschändern Rache zu nehmen.
„Was, zum Teufel …“, flüsterte Chaim. „Wer …?“
„Sagen Sie nicht, Sie hätten mich vergessen, Chaim. Es ist noch nicht lange her, da trafen wir uns auf Mekka. Ich bin der Freund Ihres Vaters und auch der Ihre, Junge.“
„Fitch!“ Chaim schüttelte verständnislos den Kopf. „Was, in Gottes Namen …? Wie … was tun Sie hier?“
„Ich bin Ihnen gefolgt. Sie glauben doch nicht, daß dies ein zufälliges Zusammentreffen ist, oder doch?“
„Sie haben uns den ganzen Weg über geortet!“ Mythili war sich über die Antwort ganz sicher, sicher, daß es ke i ne andere Erklärung geben konnte. „Der Signalsondierer , das ‚Geschenk ’ das Sie uns damals auf Mekka gaben – enthielt ein Peilgerät, nicht wahr?“
Fitch näherte sich ihnen, das Gesicht noch immer u n sichtbar für sie. „Sie sind ein kluges Mädchen“, sagte er ätzend.
„Ein dummer Narr, nicht erkannt zu haben, was diese Energiefluktuation bedeutete.“ Über die Bedeutung di e ser Anschuldigung war nur sie sich im klaren. Als er sich näherte, sah sie etwas Massives, das er an seiner Seite trug, etwas, das sie nicht identifizieren konnte.
„Weshalb sind Sie uns gefolgt?“ fragte Chaim, obwohl die Antwort darauf ebenso auf der Hand
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