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Kopernikus 4

Kopernikus 4

Titel: Kopernikus 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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schweben sie aufwärts, Judy grinst entzückt, wirkt beinahe hübsch.
    „Nehmen wir noch etwas mehr von diesem ausgezeichneten Stoff.“ Bud zieht sie beide mit in Richtung der Servoeinheit, die dem Anlaß entsprechend mit grünen Girlanden und echten Gänseblümchen geschmückt ist.
    „Ein frohes neues Jahr! Ein frohes neues Jahr, euch allen!“
    Gesichter wenden sich um, viele Lächeln. Ein aufrichtiges Lächeln, denkt Lorimer, vielleicht mögen sie das neue Jahr wirklich. Er fühlt, er hat unendlich viel Zeit, um jedes Ereignis zu analysieren, alle Implikationen entwickeln sich vor seinen Augen wie kristallklare Tatsachen. Ich bin eine Echokammer. Schönes Gefühl, in der Position des Untersuchenden zu sein. Aber andere untersuchen und beobachten ebenfalls. Sie haben hier etwas begonnen. Erkennen sie das? So verwundbar, drei von uns, fünf von ihnen, in diesem fragilen Schiff. Sie wissen es nicht. Eine klamme Furcht, zusammenhanglos, macht sich in seinem Verstand breit.
    „Bei Gott, wir haben’s geschafft“, sagt Bud lachend. „Ihr Weltraumhäschen, das muß ich euch lassen. Ich verehre euch, bei Gott, das kann man sagen. Ohne euch wären wir nicht hier, wo immer wir auch sind. Wißt ihr was, ich könnte fast im Dienst bleiben. Denke schon, daß sie ’nen Platz haben für den alten Bud; ’nen Platz in ihrem Weltraumprogramm. Was meinst du, Süße?“
    „Laß das bleiben, Bud“, sagt Dave leise von der fernen Wand herüber. „Ich möchte den Namen des Schöpfers nicht noch einmal in einem solchen Zusammenhang genannt hören.“ Der Vollbart gibt ihm ein patriarchalisch ernstes Aussehen. Dave ist sechsundvierzig, zehn Jahre älter als Bud und Lorimer. Ein Veteran von sechs erfolgreichen Missionen.
    „Oh, bitte um Entschuldigung, Major Dave, alter Kumpel.“ Bud kichert dem Mädchen zu. „Unser befehlshabender Gnomandant, Leute. Beeindruckender Bursche. He, Doktor!“ ruft er. „Wie ist das werte Befinden? Du siehst schnuckelig aus!“
    „Cheers“, hört Lorimer seine Stimme antworten, die komplexe Formation seiner Gefühle hinsichtlich Buds erhebt sich wie ein Krake im Mondlicht seines Verstandes. Dieses unterschwellige, lautlose Ding, das er gegenüber allen verspürt, allen Daves und Buds und allen großen, unbezwingbaren, gönnerhaften, fähigen, disziplinierten, langsam denkenden Mesomorphen, mit denen er sein Leben verbracht hat. Meso-ectos, korrigiert er sich dann selbst. Astronauten sind keine Muskelprotze. Sie mögen ihn, diesbezüglich hat er vorgesorgt. Mögen ihn so sehr, daß sie ihn auf die Sunbird geholt haben, ihn zum offiziellen Wissenschaftler der ersten zirkumsolaren Mission gemacht haben. Dieser kleine Doktor Lorimer; er ist cool, ist ein Mitglied des Teams. Der baut keine Scheiße, der ist nicht wie all die anderen Arschlöcher von Wissenschaftlern. Er erledigt seine Aufgaben ausgezeichnet, mit seinem kleinen Körperbau und seinem undurchdringlichen Gesicht. Nein, sie waren nicht vergeblich, all die Jahre des Trainings – Bowling, Volleyball, Tennis, Schwimmen, das Skifahren, bei dem er sich den Oberschenkel gebrochen hat, und das Footballspielen, wo er sich den Schlüsselbeinbruch zuzog. Seht euch diesen Doc an, das ist ein ganz Gewiefter. Und die großen Männer klopfen ihm auf die Schulter, sie akzeptieren ihn. Ihren auserwählten Wissenschaftler … Das Dumme ist nur, eigentlich ist er gar kein Wissenschaftler mehr. Die Arbeit an seinem postdoktoralen Plasma-Projekt war ein Glücksgriff gewesen. Aber nun arbeitet er schon seit Jahren nicht mehr in seinem Fach, er ist nicht mehr auf dem laufenden. Zu viele andere Interessen, zu viele Zeit mit dem Erklären von elementarem Stoff verplempert. Eigentlich bin ich nichts Halbes und nichts Ganzes, denkt er. Dreißig Zentimeter größer und vierzig Kilo schwerer, dann wäre er so wie sie. Einer von ihnen. Ein Alpha. Vielleicht spüren sie das ja unterschwellig, den Hauch von Beta, der ihn umgibt. Hatten die Scherze eine Saite in ihm zum Reißen gebracht, in all der Zeit auf der Sunbird? Ein Jahr mit Dave und Bud, die ihr Spiel mit ihm trieben? All die Spaße und Scherze, die sie mit ihm trieben, waren sie zuviel gewesen? Aber natürlich hatten sie es nicht so gemeint. Sie alle waren ein Team.
    Die Erinnerung an offene Jeans überfällt ihn wieder, das schmerzliche Ende – die grinsenden Gesichter, die auf ihn warteten, als er wieder hinaustaumelte. Das Geheul, die Nässe, die seine Beine hinunterrann. Du warst cool, hast vorgegeben,

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