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Kopernikus 5

Kopernikus 5

Titel: Kopernikus 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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zu diesem Zeitpunkt gab es niemanden, der auf den Gedanken gekommen wäre, Maren aufzuhalten.
    Die Lähmung der Wissenschaftler ob Marens sicherer, zielstrebiger Haltung war noch nicht vergangen, als der künstliche Mensch mit einer zweiten furchtbaren Geste einen der Kolben, in denen die Mädchen sich befanden, zerschmettert hatte. Als wäre er an den Fußsohlen durch lange Übung, durch Autosuggestion unempfindlich geworden, war er durch die Glassplitter getreten und hatte das Mädchen aus den Überresten des Kolbens herausgezogen.
    Dann, mit dem Mädchen an der Seite, hatte er sich erneut besonnen. Er hatte es wie ein kleines Kind auf einen der Tische der Computerkonsole gehoben und hatte sich dann mit einem scharfen Werkzeug, das er auf einem der Tische fand, bewaffnet. Erst jetzt kam Bewegung in die Menschen, die ringsum standen und das Wunder, das sich hier ereignet hatte, nicht begreifen konnten. Maren, der das Mädchen wieder ergriffen hatte, stoppte diese Bewegung mit einer Geste.
    Man konnte Haß in seinen Augen aufleuchten sehen. Es war seltsam, wenn man die beiden in der Erinnerung so ansah. Sie waren beide nackt und schutzlos in eine Welt getreten, die nur aus Fragmenten in ihrem Kopf bestehen konnte. Eigentlich waren sie doch, nach allem, was man denken mochte, ihren Herren und Meistern ausgeliefert. Selbst die moralische Konditionierung, daß man in zivilisierten Breiten so, wie die beiden es notwendigerweise taten, nicht herumlaufen konnte, war ein sie hemmender Strick in der Psyche.
    Und gleichwohl. Allen Fallstricken zum Trotz, die ihnen Moral und Anstand in den Kopf gelegt hatten, dies galt vor allem für Maren, schien es, als wäre der Überlebenswille stärker, schien es, daß es jenseits des Wunsches zu leben, sich zu behaupten, sich durchzusetzen, keinerlei moralisches Gebot, kein Bedenken, keine Barriere gebe. An den Augen Marens konnte man sehen, daß er selbst bereit gewesen wäre zu töten, wenn sie ihn an der Flucht aus dem Labor, für die er sich nun die Kleider hatte aushändigen lassen, gehindert hätten. So war er, zunächst reiner Wille, entkommen.
    Es war noch unklar, wo Maren sich in den Tagen zwischen seinem Ausbruch aus dem Labor und seiner Erschießung mit seinem Mädchen herumgetrieben hatte. Dr. Glanable hoffte, darüber einiges aus den polizeilichen Recherchen, derer er sich bei Crossen versichert hatte, zu erfahren. Er war, nachdem er die Leichen verlassen hatte, nicht ins Institut, sondern in seine Wohnung gefahren. Ein Brief, der diesen Morgen abgeliefert worden sein mußte und auf dem die Absenderangabe fehlte, lag unter der Tür.
    Als er den Brief noch unter der Türe aufriß und sogleich begann, ihn zu lesen, hatte er zuerst Mühe, die ungelenke Handschrift Marens zu entziffern. „Lieber Doktor!“ lautete das Schreiben. „Ich schreibe Ihnen, weil ich nicht weiß, an wen ich mich sonst wenden sollte. Durch die Umstände, durch die ich in die Welt versetzt wurde, habe ich niemanden, der mich verstehen könnte, außer Ihnen. Ich möchte Ihnen versichern, daß ich es zutiefst bedauern würde, wenn bei meiner Flucht aus dem Labor unnötiger Schaden angerichtet worden wäre. Auch möchte ich Sie um Verständnis dafür bitten, daß ich das Mädchen mitnehmen mußte, aber ganz allein könnte ich dort draußen nicht leben.
    Das Problem, das mich bedrückt und bei dessen Lösung ich Ihre Hilfe erbitte, kann ich bis zu einem gewissen Grad aus den Informationen, die Sie in mein Bewußtsein gelegt haben, entnehmen. Ich möchte Ihnen schildern, wie es mir in den letzten Tagen, als ich mich unter Menschen bewegte, ergangen ist. Es ist ja seltsam, unter den ethischen Werten, die Sie meinem Bewußtsein eingepflanzt haben und die doch in allen Bewußtseinen verankert sein müßten, steht der Mensch in seiner Würde ganz oben. Nach einem Wort, dessen ich mich entsinne, sind alle Menschen Brüder!
    Nun werden Sie verstehen, daß ich Schwierigkeiten hatte, mich trotz dieser Maxime unter Menschen zu bewegen. Als wir die Straße hinuntergingen, war es, als würden wir alle Blicke auf uns ziehen. Ich hatte den Eindruck, an jeder Ecke würde ein Aufpasser stehen, dessen Aufgabe es wäre, zu beobachten, ob sich jeder den Spielregeln gemäß, die uns nicht alle geläufig sein können, bewegte. Ich habe festgestellt, daß, fällt man auch nur ein klein wenig aus der Rolle, wird man zudem nervös wegen dieser Umstände, wegen dieser allgemeinen Bedrückung, man zahlreiche Passanten auf sich

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