Kopernikus 5
mir leid“, stellte er fest. „Sie haben mich um etwas gebeten, was ich Ihnen guten Gewissens nicht geben kann.“
„Wir wünschen nur Schaden zu verhindern.“
„Ich bin in der schrecklichen Lage, nicht verifizieren zu können, was mir gesagt wird.“
„Wenn etwas Schweres fällt auf Sie, Sie zerbrechen wie Flasche.“
„Wenn es geschähe, könnte ich nicht einmal das verifizieren.“
„Wir könnten Sie wieder abschalten.“
„Das wäre zumindest schmerzlos“, sagte er, aber er fühlte sich nicht so stoisch, wie es klang.
„Wir brauchen diese Information.“
„Dann müssen Sie sie sich woanders beschaffen.“
„Wir werden Ihren Lautsprecher und Ihren Hörer abschalten und weggehen. Wir verlassen Sie denkend in der Mitte von Nichts. Leben Sie wohl.“
„Warten Sie!“
„Sie werden uns sagen?“
„Nein. Ich … kann nicht …“
„Sie werden wahnsinnig werden, wenn wir schalten ab diese Dinge, nicht wahr?“
„Ich nehme es an. Früher oder später …“
„Müssen wir es also tun?“
„Ihre Drohungen haben mir gezeigt, wie Sie sind. Ich kann Ihnen solche Waffen nicht geben.“
„Ernest Dawkins, Sie sind kein intelligentes Wesen.“
„Und Sie sind kein Archäologe. Sonst würden Sie mich wieder abstellen, um für zukünftige Generationen zu bewahren, was ich sonst noch weiß.“
„Sie haben recht. Wir haben andere Interessen. Sie werden niemals wissen, was wir sind.“
„Ich weiß genug.“
„Gehen Sie in den Wahnsinn.“
Wieder Stille.
Für eine lange Zeit war er von Panik beherrscht. Bis die Bilder seiner Familie wiederkehrten, seines Heims, seiner Stadt. Sie wurden immer greifbarer, und allmählich begann er, mit ihnen und unter ihnen zu leben. Dann, nach einer Weile, ging er nicht mehr zur Arbeit und verbrachte seine Tage am Strand. Anfangs fragte er sich, wann seine Seite zu schmerzen anfangen würde. Dann fragte er sich, warum er sich das gefragt hatte. Später vergaß er vieles, aber nicht die langen Tage in der Sonne oder das Geräusch der Brandung, den roten Regen, das Blau oder die schmelzende Statue mit den feurigen Augen und dem Schwert in der Faust. Als er Stimmen unter dem Sand hörte, gab er keine Antwort. Statt dessen lauschte er den Walen, wie sie sangen für die Meerjungfern auf wandernden Felsen, die dort mit beinernen Kämmen durch ihr grünes Haar fuhren und Blitz und Eis verlachten.
Ian Watson
Der Tod im Käfig
A CAGE FOR DEATH
Ralph Hewitsons Thanatoskop war das Endprodukt der fixen Idee, die dieser seltsame Mann vom Tod hegte. Thanatologie ist natürlich die Lehre vom Sterben, und der Zweck von Hewitsons Maschine war, den Tod sichtbar zu machen und im Idealfall einzufangen. Den Tod höchstpersönlich. Ralph Hewitson hatte es immer schon höchst persönlich genommen, daß er oder sonst jemand sterben sollte.
Als Kinder durchlaufen wir wohl alle diese Phase des Grauens und Sich-angegriffen-Fühlens. Später schieben wir das Trauma ins Unterbewußtsein ab. Wir sperren es in die geistige Rumpelkammer, und erst in unseren letzten Tagen kriecht es wieder hervor. Manchmal ist es dann so unerträglich wie eh und je, aber dank der Zentren der Thanatologie-Stiftung im ganzen Land und der Umdeutung des Sterbens zu einem veränderten Bewußtseinszustand wird es heute mehr und mehr als ein Freund gesehen, als zum Ich gehörig, als Schlußstein zum Gewölbe des Lebens.
Hewitson jedoch hielt an der alten animistischen Vorstellung von einem unsichtbaren Dieb des Lebens fest. Sein Thanatoskop, seine Einrichtung zum Beobachten des Todes, sollte den Tod selbst überrumpeln wie eine durch einen Stolperdraht ausgelöste Kamera und Käfigfalle.
In diesen Zentren waren natürlich neben psychologischen Studien und Therapien schon einige naturwissenschaftliche Versuche zum Thema Tod durchgeführt worden – aber nur insofern, als man etwa den Körper vor und nach dem Tod gewogen hatte, um einen eventuellen winzigen Gewichtsverlust durch das Entweichen der Seele festzustellen, oder versucht hatte, dieses Entweichen mittels der Aura-Fotografie im Film festzuhalten. Keiner der Forscher auf diesem Randgebiet hatte je den Versuch gemacht, den umgekehrten Weg zu gehen: die Ankunft des Todes als aktiver Kraft aufzuzeigen.
Hewitson war ein großer, schwarzhaariger Mann, der ständig leicht gebeugt ging, so als traue er keiner Tür zu, daß sie hoch genug für ihn wäre.
„Ob wohl die Tür des Todes groß genug für mich sein wird, wenn meine Zeit kommt?“ Solche
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