Kopernikus 6
vorstellte, gleich nachdem dieser Herr wieder einmal die Gouverneurswahlen in Louisiana verloren hatte. Gudger tingelte als Propagandaredner durch Mississippi und machte Dampf für Longs Besitzverteilungsplan, schon bevor der so hieß.
Die Long-Truppe in Louisiana erkannte einen Rattenfänger, wenn sie einen sah, und so luden sie Gudger ein, auf ihre Kosten mitsamt seiner Familie in das Sportlerparadies zu ziehen und gegen ein unglaubliches Gehalt von $ 62,50 für den Kingfish zu arbeiten. Das war der Anfang des Aufstiegs. Es war, als hätte man ein Schwein unter einem Pflaumenbaum freigelassen, und bevor man noch „Hinterwald-Messias“ sagen konnte, war der Gudger-Klan schon unterwegs in das Land der Pelikane, der Schmiergelder und des Mardi Gras.
Beinahe. Aber darauf komme ich noch.
Im Verhältnis zu seinen Fähigkeiten ging es Daddy Gudger unglaublich gut, aber so war es mit vielen Leuten in der Depression. Er stieg erst langsam, aber dann immer weiter in den bürokratischen (und politischen) Kreisen des Staates auf, und als er schließlich reich und verhaßt starb, hatte er seine Finger überall drin.
Alma Chandler Gudger debütierte (sie sagt, daß Robert Penn Warren ihren Namen in sein Buch schrieb), begegnete Jean Carl Molière, dem einzigen Erben einer Familie von Reis-, Indigo- und Zuckerrohrpflanzern, und heiratete ihn. Sie führten eine glückliche Ehe; zunächst zogen sie nach Westindien und später dann nach Mauritius, wo die Zuckerrohrpflanzungen der Familie zu den größten der Insel zählten. Jean Carl starb 1959. Einzige Hinterbliebene war Alma.
Familie vom Lande gelangt zu Wohlstand. Arme Farmpächter aus Mississippi haben am Ende einen Vater, der mit einem Lächeln auf den Lippen stirbt, und zwei Töchter, denen beiden zusammen ein ordentliches Stück des Planeten gehört.
Ich öffne den Umschlag vor mir. Mrs. Alma Molière hatte sich höflich meine Geschichte angehört (die Universität hatte vorher angerufen und über den Direktor des Museums von Port Louis, der mit Mrs. Molière gesellschaftlich verkehrte, ein Zusammentreffen arrangiert), und sie erzählte mir, was sie noch wußte. Dann schickte sie einen Diener zu einem der Lagerschuppen (von der Größe einer Zwei-Etagen-Wohnung), und zwei weitere kamen zurück und brachten Kisten mit Zeitungsausschnitten, Alben und Familienphotos.
„Ich habe mir das alles nicht mehr angesehen, seit wir aus St. Thomas weggezogen sind“, sagte sie. „Wir können es zusammen durchgehen.“
Das meiste handelte vom Aufstieg des Citizen Gudger.
„Es gibt nicht viele Bilder von uns aus der Zeit, bevor wir nach Louisiana kamen. Wir waren so schrecklich arm damals; wir kannten kaum jemanden, der eine Kamera besaß. Oh, sehen Sie! Hier ist eins von Annie Mae. Ich dachte, ich hätte sie alle weggeworfen, als Mama gestorben war.“
Das ist das Photo. Es muß um 1927 herum aufgenommen worden sein. Annie Mae trägt irgendein unbeschreibliches Kleidungsstück, das in etwa einem Kleid entspricht. Sie steht auf eine Hacke gestützt, sie lächelt und hat lauter Zahnlücken. Sie sieht aus wie zehn oder elf. Ihre Augen sind halb verdeckt durch den Schatten der Krempe eines ausgefransten Strohhutes auf ihrem Kopf. Der Boden unter ihren bloßen Füßen ist frisch umgegraben. Hinter ihr sieht man eine Ecke des Hauses, und bei der Scheune im Hintergrund stehen die Heuluken offen. Unscharf sind Leute zu erkennen, die dort arbeiten.
Ein paar Fuß hinter ihr befindet sich ein großer männlicher Dodo, der etwas vom Boden aufpickt. Man sieht die vorderen zwei Drittel von ihm, bis zu den albernen Flügeln und den nach oben gebogenen Schwanzfedern. Ein Fuß ist auf dem Photo, er hat gerade in den frischgepflügten Schollen nach etwas gescharrt, vielleicht nach einem Regenwurm. Seiner dunklen Färbung nach zu urteilen handelt es sich um den grauen Mauritius-Dodo.
Das Photo ist nicht sehr gut; es ist mit einer Box aufgenommen, Format 9 x 12. Ich sehe es schon vor mir, auf einer Doppelseite im Scientific American abgebildet, mit einer Vergrößerung des Dodo. Alma erzählte mir, daß es zu jener Zeit bei ihnen nur noch sechs oder sieben der häßlichen Hühner gegeben habe, zwei weiße und der Rest graubraun.
Neben dem Photo sind zwei Zeitungsausschnitte in dem Paket, einer aus der Banner Times aus Bruce und einer aus der Oxforder Zeitung; beides sind Kolumnen von derselben Frau, überschrieben mit „Neues aus Water Valley“. Beide reden davon, daß die Familie Gudger
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